Streit um Betreuung von Arbeitslosen:Hartz IV vor höchstem Gericht

32 Kommunen dürfen ihre Hartz-IV-Empfänger nicht selbst betreuen, obwohl sie dafür geeignet sind. Der Grund: Der Bund hat die Zahl der kommunalen Träger begrenzt, was Städte und Landkreise für "willkürlich und gleichheitswidrig" halten. Sie haben Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Thomas Öchsner

Die mühsam ausgehandelte Neuordnung der Hartz-IV-Jobcenter kommt vor das Bundesverfassungsgericht. 14 Landkreise und Städte haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie die Hartz-IV-Empfänger nicht in Eigenregie betreuen können. Dies bestätigte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistags, Professor Hans-Günter Henneke, der Süddeutschen Zeitung.

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Viele Kommunen wollen ihre Jobcenter ohne die Hilfe der Bundesagentur für Arbeit betreuen. Weil das aber nicht alle dürfen, ziehen sie jetzt vor das Bundesverfassungsgericht.

(Foto: dpa)

Im Sommer 2010 hatten sich Bund und Länder auf die Reform der Anlaufstellen für die Langzeitarbeitslosen und deren Familien geeinigt. Damals bewilligten Bundestag und Bundesrat die Änderung des Grundgesetzes. Sie sieht vor, dass Kommunen und Arbeitsagenturen in den Jobcentern weiter zusammenarbeiten dürfen. Gleichzeitig wurde beschlossen, dass sich 41 Kommunen zusätzlich in Eigenregie um die Hartz-IV-Empfänger kümmern können und dabei nicht mit der Bundesagentur für Arbeit kooperieren müssen.

32 Kommunen erhielten keinen Zuschlag

Bislang lag die Zahl dieser sogenannten Optionskommunen bei 69. Sie soll sich von 2012 an um 41 auf 110 Städte und Kreise erhöhen. Da aber insgesamt 73 Kommunen zusätzlich die Hartz-IV-Empfänger allein betreuen wollten, erhielten 32 keinen Zuschlag, obwohl sie dafür als geeignet eingestuft wurden. Dagegen gehen die Städte und Landkreise nun juristisch vor. Sie halten es für "willkürlich und gleichheitswidrig", dass der Bund die Zahl der kommunalen Träger einfach auf 110 begrenzt.

Mit der Verfassungsbeschwerde wollen die Kommunen erreichen, dass die 32 doch noch eine Zulassung erhalten. "Das wäre verfassungsrechtlich ohne weiteres möglich", sagte Landkreis-Vertreter Henneke der SZ. Er sieht damit die Chance verbunden, die Angebote für die Hartz -IV-Empfänger noch stärker "mit kommunalen Bereichen wie Kinderbetreuung, Wirtschaftsförderung oder sozialen Diensten zu verzahnen". Es gehe darum, "das Engagement der Kreise und Städte nicht abzuwürgen". Die Nichtzulassung habe "in den betroffenen Kommunen für erhebliche Unruhe gesorgt".

Nach seinen Angaben sind sie bereit, ihre Verfassungsbeschwerde zurückzuziehen, wenn die Bundesregierung einlenkt. "Lässt sich eine politische Lösung erzielen, werden die Beschwerden gegenstandslos", sagte Henneke. Danach sieht es bislang aber nicht aus. Auch die Bundesagentur dürfte kein Interesse daran haben, noch mehr Verantwortung an Städte und Kreise abzugeben.

Rot-Grün fasste Arbeitslosen- und Sozialhilfe 2005 zusammen

Die Zusammenarbeit von Kommunen und Arbeitsagenturen war 2005 entstanden, als die rot-grüne Regierung Arbeitslosen- und Sozialhilfe in den Jobcentern zusammenlegte. Dort wird zum Beispiel errechnet, wie viel Arbeitslosengeld II (Hartz IV) die Hilfeempfänger erhalten. Zugleich wurden damals die 69 "Optionskommunen" zugelassen. Das Bundesverfassungsgericht beanstandete aber 2007 die Kooperation in den Jobcentern als unzulässige "Mischverwaltung". Die Bürger müssten klar erkennen können, von welcher Behörde sie welche Leistungen beziehen. Dies führte zuletzt zur Grundgesetzänderung, um die Jobcenter als gemeinsame Anlaufstelle zu erhalten.

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