Vielleicht sind die Meinungsumfragen ja einfach nicht durchgedrungen bis aufs Podium, wo beste Laune herrscht unter den Gegnern von Stuttgart 21. In einem Konferenzraum des Landtags stellt sich am Montag das "Landesbündnis Ja zum Ausstieg" vor - das Dach, unter dem sich die Tiefbahnhofsskeptiker für eine gemeinsame Kampagne vor der Volksabstimmung am 27. November versammeln wollen.
Die Erhebungen machten ihnen zuletzt wenig Hoffnung: 50 bis 55 Prozent der befragten Baden-Württemberger unterstützten Stuttgart 21, nur 30 bis 35 Prozent lehnten es ab. Und doch scheint es den Damen und Herren vorne an den Mikrofonen an Hoffnung nicht zu mangeln.
Ein Grund dafür ist wohl schon allein, dass sie hier so einträchtig beieinandersitzen, die Vertreter der Grünen, des BUND, des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, das bisher und weiterhin den Protest auf der Straße koordiniert. Die neue Allianz kann auf diesen bewährten Organisationsapparat und viele kreative Freiwillige bauen; beim Bemühen, im Land flächendeckend präsent zu sein, könnten die 800 000 Mitglieder des DGB durchaus hilfreich sein. Die Kampagne des Bündnisses ist weit gediehen, es wird etwa ein eigenes Logo geben.
Von so viel Einigkeit sind die Befürworter des Tiefbahnhofs noch weit entfernt. Zwar haben sie den Verein "Pro Stuttgart 21" ins Leben gerufen, ihn aber noch nicht nennenswert mit Leben gefüllt. Bei den ersten Treffen, hört man, habe man sich noch nicht mal auf die Plakatfarbe verständigen können.
Ein Problem des Paktes ist die Rolle der SPD, die sich vom Ordnungsruf des grünen Koalitionspartners einschüchtern ließ, sich ja nicht zu eng an die CDU zu binden. Die Partei wird dem Pro-Verein nicht beitreten, geneigte Sozialdemokraten sollen sich stattdessen als "Einzelpersonen" engagieren. Damit will die Parteispitze auch die vielen Einzelpersonen an der Basis beruhigen, die gegen den Tiefbahnhof sind.
Die Grünen finden derweil nichts daran, sich im Gegnerbündnis auch formal und finanziell einzubringen, obwohl dem mit der Linken ebenfalls eine Oppositionspartei angehört. Das sei "abgesprochen" und "etwas völlig anderes", sagte der Grünen-Landesvorsitzende Chris Kühn am Montag - eine Einschätzung, die SPD-Chef Nils Schmid "mit Verwunderung zur Kenntnis" nahm.
Die größte Sorge der Befürworter ist indes, dass den Gegnern die Mobilisierung am 27. November leichter fallen dürfte, an Leidenschaft mangelt es dem Protest bekanntlich nicht. Die guten Umfragewerte, heißt es im Pro-Lager, könnten das eigene Klientel "zu falscher Sicherheit" verleiten. Zumal da noch das fast unerreichbare Quorum ist: Ein Drittel aller Wähler - 2,6 Millionen - müssten gegen das Projekt stimmen, damit der Volksentscheid gilt.
Führende S21-Kritiker wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) setzen deshalb darauf, dass auch eine einfache Nein-Mehrheit den Ausstieg bringen könnte. "Ich bin sicher, dass die Volksabstimmung unabhängig vom Quorum politisch wirkt", sagte Palmer der Süddeutschen Zeitung. Ob sie ein Scheitern am Quorum akzeptieren würde, wird Brigitte Dahlbender, die gutgelaunte, hoffnungsfrohe Sprecherin des Gegnerbündnisses, am Montag noch gefragt. "Da schauen wir dann", sagt sie.