Streit um Antiradikalisierungskonzept in Niedersachsen:Generalverdacht im Gotteshaus

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Behörden, Moscheen und Arbeitgeber sollen den Sicherheitsbehörden Informationen über auffällige Muslime liefern, fordert Niedersachsens Innenminister Schünemann. Angeblich sei sein "Antiradikalisierungsprogramm" unter Mitarbeit muslimischer Vertreter entstanden. Doch die üben harsche Kritik - und sehen sich unter Generalverdacht.

Kathrin Haimerl

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gefällt sich in der Rolle des Hardliners: Breitbeinig und mit verschränkten Armen posierte er einmal für die Bild-Zeitung inmitten eines Trupps von niedersächsischen Bereitschaftspolizisten. Auf die Frage, ob es ihn störe, wenn man ihn als schwarzen Sheriff bezeichne, sagte er: "Für einen Innenminister ist es sicher besser, als harter Hund statt als Warmduscher zu gelten".

Sorgt wieder einmal für Streit: der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU). (Foto: dpa)

Ein besonderes Anliegen ist Schünemann der Kampf gegen den islamistischen Terror, mehrfach hatte der Minister hier mit Vorstößen für Irritationen gesorgt. Jetzt hat Schünemann ein Antiradikalisierungsprogramm vorgelegt, das bei muslimischen Verbänden auf harsche Kritik stößt. Unter anderem setzt das "Handlungskonzept zur Antiradikalisierung im Bereich Islamistischer Extremismus und Terrorismus" auf Hinweise von Behörden und Moscheen auf gefährdete Muslime, die dann vom Verfassungsschutz angesprochen werden sollen.

Schünemanns Vorstoß erinnert an die umstrittene "Sicherheitspartnerschaft" von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, der damit vor einem Jahr auf der Islamkonferenz für Unmut gesorgt hatte. Der CSU-Politiker warb für eine intensivere Kooperation zwischen Muslimen und Sicherheitsbehörden.

Auch das neue Konzept von Schünemann basiert auf einer solchen Zusammenarbeit: "Die Früherkennung von Radikalisierung" müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden und setze ein Zusammenwirken aller Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft voraus.

"Grundgedanke ist der Aufbau von Präventionspartnerschaften auf allen gesellschaftlichen Ebenen", teilt der niedersächsische Verfassungsschutz auf SZ-Anfrage mit. In diesen "Präventionsnetzwerken" sollen die Sicherheitsbehörden mit muslimischen Einrichtungen, aber auch mit Behörden und der Wirtschaft zusammenarbeiten. Gemeinsames Ziel sei, "junge Leute vor der Radikalisierung zu bewahren".

"Kooperationspartner" sollten unter anderem auch Schulen, Jugendämter, Ordnungsämter, Ausländerbehörden, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende sowie die Sozialverwaltungen der Kommunen sein. Es gehe darum, "in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen", heißt es in dem Papier. Darüber hinaus sollten Arbeitgeber dazu sensibilisiert werden, "Radikalisierungsprozesse im eigenen Firmenumfeld frühzeitig zu erkennen".

Kritiker sehen darin - wie auch bereits bei Friedrichs Sicherheitspartnerschaft - einen Aufruf zum Denunziantentum: Muslime sollen bespitzelt, die gewonnenen Informationen an die Sicherheitsdienste weitergeleitet werden.

In Schünemanns Mitteilung heißt es weiter, das Konzept sei unter Mitarbeit muslimischer Verbände entstanden. Die Zusammenarbeit sei von entscheidender Bedeutung, sagte Schünemann. "Ich freue mich, dass schon bei der Erarbeitung des Konzepts muslimische Vertreter mitgewirkt haben." Zudem solle das Programm "ein Schrittmacher zur Stärkung eines friedlichen Miteinanders in Niedersachsen" sein.

Ganz anders die Darstellung der muslimischen Vertreter, die harsche Kritik an dem Vorstoß üben. Die islamischen Religionsgemeinschaften hätten an dem Konzept weder mitgewirkt, noch trügen sie es mit, heißt es in einer Stellungnahme des Ditib Landesverbands Islamischer Religionsgemeinschaften Niedersachsen und Bremen.

Erst auf eigenes Drängen seien die islamischen Verbände zur Mitarbeit an dem Konzept eingeladen worden, ihre Bedenken, Kritik und Vorschläge seien aber gänzlich außer Acht gelassen worden. Die breite Masse der Muslime in Niedersachsen empfinde sich dadurch "unter Generalverdacht gestellt, pauschal vorverurteilt und politischem Populismus ausgeliefert". Und weiter: "Wir sehen die konkrete Gefahr darin, dass der gesamtgesellschaftliche Frieden in Niedersachsen durch solche unbedachten Schritte nachhaltig gestört wird."

Der niedersächsische Verfassungsschutz kann die Kritik nicht verstehen: Den "abrupten Kurswechsel" des Ditib-Landesverbandes nehme man "mit Verwunderung" zur Kenntnis, teilte eine Sprecherin mit. Bei der abschließenden Projektsitzung habe sich der Verband noch "grundsätzlich zustimmend" geäußert. Allerdings räumte sie ein, dass die muslimischen Verbände selbst um Teilnahme an der Projektgruppe gebeten haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass der niedersächsische Innenminister mit den muslimischen Verbänden aneinander gerät: 2010 hatte er verdachtsunabhängige Kontrollen vor Moscheen angeordnet. Angesichts der "Bedrohung durch den internationalen Terrorismus" sei die Überprüfung der Gottesdienstbesucher notwendig, erklärte Schünemann damals. Erst als sich der damalige niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) dagegen aussprach, schränkte er die umstrittene Praxis ein.

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