Streit um Agrarsubventionen:Brüsseler Ultimatum

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Landwirtschaftsministerin Aigner weigert sich, die Empfänger von Agrar-Subventionen zu veröffentlichen. Jetzt droht Deutschland eine Klage der EU-Kommission.

M. Kotynek und M. Widmann

Deutschland droht eine Klage der EU-Kommission, weil es sich weigert, die Empfänger der Agrarsubventionen zu veröffentlichen. Nach Europarecht sind die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bis spätestens Ende April offenzulegen, wer von den Agrar-Milliarden aus Brüssel profitiert. Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) empfiehlt den Bundesländern, vorerst keine Angaben über die Empfänger zu machen.

Bundeslandwirtschaftsm nisterin Ilse Aigner (CSU) will die Namen der Empfänger von Agrarbeihilfen nicht öffentlich machen (Foto: Foto: Reuters)

Zu den Profiteuren der Subventionen gehören viele agrarferne Konzerne, wie die Lufthansa-Tochter Sky Chefs oder der Energieversorger RWE Power, die laut Umweltschützern hohe Summen kassieren.

Als eines der ersten Bundesländer kündigte Bayern am Donnerstag an, die Daten vorerst nicht offenzulegen. Europaweit haben bereits 18 der 27 EU-Staaten die Empfänger der Direktzahlungen im Internet veröffentlicht. Bei keinem der verbliebenen Staaten rechnet die Europäische Kommission mit Problemen - außer bei Deutschland.

Die Steuerzahler hätten ein Recht darauf zu erfahren, wohin die Agrarbeihilfen fließen, heißt es aus der EU-Kommission. "Wir sind über das Vorgehen Deutschlands sehr erstaunt", sagt der Sprecher von EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel. "Deutschland hat der Verordnung selbst zugestimmt, dass die Daten veröffentlicht werden sollen." Nun erwarte die Kommission, dass das Land dem Beschluss nachkomme. Andernfalls werde man ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einleiten.

Aigner hatte sich bei ihrer Empfehlung am Mittwoch auf die Bedenken mehrerer deutscher Gerichte berufen. Diese bezweifelten, dass die Veröffentlichung im Netz mit dem "Grundrecht auf Datenschutz" vereinbar ist, sagte die Ministerin. So hat etwa das Verwaltungsgericht Wiesbaden nach der Klage zweier hessischer Landwirte gegen die Veröffentlichung Bedenken angemeldet und die Frage dem EuGH zur Prüfung vorgelegt.

Das Informationsinteresse überwiegt

Für den Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar, überwiegt bei solchen Subventionen das öffentliche Informationsinteresse gegenüber dem Datenschutz. Zudem könne "die Preisgabe der Information nach meiner Auffassung nicht zu einem wirtschaftlichen Nachteil dieses Betriebes führen", sagt Schaar. Auch wurden die Empfänger in ihren Anträgen darauf hingewiesen, dass ihre Daten veröffentlicht werden.

Unter den Profiteuren der EU-Milliarden befinden sich nach Recherchen von Umweltschützern zahlreiche agrarferne Firmen wie die Lufthansa-Tochter Sky Chefs. Sie serviert auf Flügen Agrarprodukte wie Hühnchen oder Kaffeesahne - und erhält dafür Exportsubventionen aus Brüssel, wenn der Flug die Außengrenzen der EU verlässt, was formal als Export gilt.

Der Energieerzeuger RWE Power bekam im Jahr 2006 laut Greenpeace-Informationen gut 472.000 Euro für die Rekultivierung stillgelegter Braunkohle-Tagebaue; die damalige Unilever-Tochter Iglo habe 244.000 Euro erhalten. Hohe Summen seien auch an die Besitzer großer Ländereien geflossen.

Der Deutsche Bauernverband ermuntert seine Mitglieder seit Wochen, Widerspruch gegen die geplante Veröffentlichung einzulegen und verschickt dazu Musterbriefe.

© SZ vom 24.04.2009/aho/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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