Süddeutsche Zeitung

Streit über Kurskorrektur:Was die CDU in den Städten anders machen muss

Moderner werden müsse die Union, neue Milieus ansprechen und sich den Grünen öffnen, raten die Großstadt-Abgeordneten der CDU. Dabei ist die CDU in den Metropolen oft gar nicht mehr so traditionsmiefig wie sie oft beschrieben wird. Dank Betreuungsgeld und Kristina Schröder merkt das aber keiner.

Robert Roßmann, Berlin

Schonungsloser hätte die Kritik an der eigenen Partei kaum ausfallen können. Die Union habe in den Metropolen den Anschluss an die wichtigen sozialen Gruppen "weitgehend verloren", schreiben die Großstadt-Abgeordneten der CDU. Ihre Partei komme in den "wegweisenden Diskursen der Stadtgesellschaft" nicht mehr vor. Häufig reüssiere man nur noch bei älteren Wählern. In einem "Diskussionspapier" haben sich die Abgeordneten jetzt ihren Frust aus dem Leib geschrieben.

Anlass dazu gibt es wahrlich genug. Von den zehn größten deutschen Städten wird nur noch Düsseldorf von einem CDU-Bürgermeister regiert. In den vergangenen drei Jahren hat die Partei Hamburg, Köln, Frankfurt und Stuttgart verloren.

Dieser Niedergang wühlt die CDU zu Recht auf. Metropolen sind die Labore der Zukunft. Wer dort abgehängt wird, hat es in zehn Jahren auch auf dem Land schwer. Darüber sind sich in der CDU alle einig, über die nötigen Konsequenzen allerdings nicht. Moderner werden müsse die Union, neue Milieus ansprechen und sich den Grünen öffnen, raten die Großstadt-Abgeordneten. Auf der anderen Seite steht der "Berliner Kreis". Die Konservativen fürchten, die CDU könnte wegen der Verluste in den Städten ihr Heil in einem Links-Schwenk suchen - und damit die Stammwähler noch stärker vernachlässigen.

CDU ist in den Städten moderner als ihr Ruf

Aber welcher Weg ist nun der richtige? Die Wahrheit ist immer konkret, sagt die Kanzlerin gerne. Und genau das macht die Antwort in diesem Fall so schwierig. Denn die CDU ist in den Städten ja oft gar nicht mehr die traditionsmiefige Partei, als die sie jetzt so gern beschrieben wird.

In Hamburg regierte ein schwuler CDU-Bürgermeister mit einer schwarz-grünen Koalition. Dass die Union abgewählt wurde, lag nicht an mangelnder Modernität, sondern an einem Bürgermeister, der aus dem Amt floh. In Köln und Frankfurt schloss die CDU schon vor vielen Jahren Bündnisse mit den Grünen. Und in Stuttgart ist der CDU-Chef ein bekennender Homosexueller - sein OB-Kandidat war ein alerter parteiloser Werbefachmann. Die Zeiten, in denen Christdemokraten wie Stefan Mappus den Christopher Street Day als "frivoles, karnevaleskes Zurschaustellen sexueller Neigungen" brandmarkten, sind lange vorbei.

Die Metropolen-Kassandras der CDU vergessen außerdem gerne, dass die Partei in den Städten schon immer schlechter ankam als auf dem Land. 2009, als die CDU-Welt in Hamburg, Frankfurt, Köln und Stuttgart noch in Ordnung war, holte die Partei bei der Bundestagswahl in Deutschlands Großstädten nur 26,8 Prozent - auf dem Land aber fast 40.

Petra Roth und Ole von Beust als Prototypen

Der Machtverlust in den vier Städten ist also kein Grund für einen dramatischen Kurswechsel, Anlass zu deutlichen Korrekturen sollte er aber schon sein. Denn bei den großen urbanen Themen - Vereinbarkeit von Familie und Beruf, soziale Gerechtigkeit, Lebensqualität, Mieten und Migration - fällt die CDU derzeit tatsächlich wieder zurück.

Das zeigt schon der Blick auf die Frauen- und Familienpolitik. Eigentlich gilt: Die SPD hat die Quote, die CDU hat die Frauen. Angela Merkel ist Kanzlerin, Parteichefin und Spitzenkandidatin. SPD-Frauen waren derlei noch nie. Die CDU hat doppelt so viele Ministerpräsidentinnen wie die SPD, Elterngeld und Krippenausbau wurden unter einer CDU-Kanzlerin beschlossen. Doch dank Betreuungsgeld und Kristina Schröder gelten die Christdemokraten inzwischen wieder als rückständig.

Die CDU wird aber auch die Auswahl ihrer OB-Kandidaten ändern müssen. Die Bürger erwarten authentische Liberale, mit einem aufgeschlossenen, pragmatischen, aber auch nachdenklichen Politikstil. Petra Roth und Ole von Beust erfüllten diesen Anspruch, ihre Nachfolger nicht. Auch deshalb regieren in Frankfurt und Hamburg jetzt Sozialdemokraten.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2012/olkl
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