Streit über innere Sicherheit:Die CDU zeigt sich gespalten

Bilder des Tages BERLIN July 28 2016 German Chancellor Angela Merkel attends a press conference

Nach ihrem Sommerurlaub in Südtirol warten auf Angela Merkel in Deutschland die Mühen der Ebene.

(Foto: imago/Xinhua)

Durch die jüngsten Anschläge in Deutschland ist die Verunsicherung gestiegen. In der Flüchtlingspolitik war CDU-Chefin Merkel einer parteiinternen Debatte noch entgangen. Die Sicherheitspolitik wird nun zum Ersatzschauplatz.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Es gab dieser Tage in der Bild-Zeitung Fotos von Angela Merkel im Urlaub zu sehen. Die Kanzlerin in Südtirol: Sie trägt Wanderkluft, ihre Schirmmütze wirkt ähnlich zerknautscht wie ihre Umfragewerte, und sie fährt im Sessellift durch eine Gebirgslandschaft. Ob es dabei noch aufwärtsgeht mit ihr oder schon abwärts, ist nicht ersichtlich. Manchem Kritiker mag die gemütliche Gondelei zwischen Felsen und Fichten so oder so als Bestätigung dafür dienen, dass Merkel nur noch über den Dingen schwebe.

Den Gegenbeweis muss die Kanzlerin und mehr noch die CDU-Vorsitzende antreten, wenn nach der Erholung in den Alpen demnächst wieder die Mühen der Ebene auf sie warten, und zwar da, wo es besonders flach ist, in Mecklenburg-Vorpommern und kurz darauf in Berlin.

Die Landtagswahlen im Frühjahr waren dominiert vom Streit um die Flüchtlingspolitik und endeten für die Kanzlerin Merkel glimpflich, für die Parteichefin Merkel aber schon desaströs. Diesmal sind die Voraussetzungen noch schwieriger, weil nach den jüngsten Terroranschlägen die Verunsicherung gestiegen ist.

Zu den jetzigen Landtagswahlen treten außerdem für die CDU Spitzenkandidaten an, die in den derzeitigen großkoalitionären Landesregierungen das Innenressort führen, also zuständig sind für Recht und Ordnung. Wie die nun entstandene Debatte über neue Anti-Terror-Maßnahmen und sonstige Sicherheitsgesetze zeigt, ist das für die CDU wenige Wochen vor den Wahlen mitnichten ein Gewinnerthema.

Vielmehr macht die interne Diskussion eine wachsende Spaltung der Partei unübersehbar. Und nicht zuletzt in ihrem eigenen Landesverband Mecklenburg-Vorpommern steht für die Kanzlerin die Frage im Raum, wie viel Merkel und die CDU noch gemeinsam haben.

Der Innenminister tritt diesmal allein vor die Presse

Merkels Innenminister Thomas de Maizière hat nun ein Paket für mehr Sicherheit in Deutschland vorgelegt. Er reagiert damit auf die Attacken von Würzburg und Ansbach sowie den Amoklauf in München. Seine Vorschläge sind zielgerichtet, detailliert, weitgehend als Konsequenzen aus den Anschlägen nachvollziehbar, hie und da streitbar, aber trotzdem realistisch.

Natürlich zollt auch de Maizière dem Wahlkampf seinen Tribut: Nach der Silvesternacht von Köln stellte er erst die Verständigung mit dem Koalitionspartner über neue Gesetze her und trat dann gemeinsam mit dem Justizminister von der SPD vor die Presse. Diesmal ist der Innenminister alleine aufgetreten und hat die Konsensfähigkeit mit den Sozialdemokraten lediglich behauptet.

Misstrauensvotum gegen die eigene Kanzlerin

Andererseits hat de Maizière auch die Grenze dessen definiert, was er zugunsten von Parteitaktik für vertretbar hält. Die Kritik, die er fast unverhohlen an sicherheitspolitischen Ideen einiger CDU-Innenminister aus den Ländern übte, kam einer Klatsche für die eigenen Parteifreunde gleich.

De Maizière distanzierte sich nicht nur öffentlich von der Forderung nach Burka-Verbot und Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Mit seinem Hinweis, dass Debatten über politisch nicht mehrheitsfähige Ideen sinnlos seien, sprach er den Kollegen auch gleich noch die Ernsthaftigkeit ab.

Besonders bitter ist das für Innensenator Frank Henkel und Innenminister Lorenz Caffier, die Spitzenkandidaten in Berlin und Schwerin. Sie stehen hinter den Vorschlägen, die nächste Woche im Kreis der Unionsinnenminister beschlossen werden sollen.

Sie gerieren sich dabei wie ein Reparaturbetrieb für eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Flüchtlings-, Integrations- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung. Dabei geht es nicht so sehr um einzelne Punkte - das ganze Papier liest sich wie ein Misstrauensvotum gegen die Politik der eigenen Kanzlerin.

Plan C bis D

Im Frühjahr versuchte es die rheinland-pfälzische CDU-Kandidatin Julia Klöckner mit einer Doppelstrategie aus Nähe und Distanz zu Merkel. Deutlichster Ausdruck dieser Verdruckstheit war ein flüchtlingspolitisches Konzept, das Klöckner A2 nannte, um den Begriff Plan B zu vermeiden, weil das zu sehr nach Alternative geklungen hätte. Gemessen daran sind die aktuellen Überlegungen der wahlkämpfenden Innenminister in Berlin und Schwerin ein Plan C bis D.

So viel aber lässt sich aus den Debatten seit Würzburg und Ansbach erkennen: Henkel und Caffier sind in der CDU nicht bedeutend - aber allein sind sie auch nicht. Die Sicherheitspolitik wird zum Ersatzschauplatz einer Auseinandersetzung in der Partei, der Merkel in der Flüchtlingspolitik noch entgangen ist, auch weil die CSU sie in einer Weise führte, die selbst kritische Christdemokraten zurückschrecken ließ. Merkels Wahlkampf im September zielt mithin nicht nur auf die Bürger in Berlin und im Nordosten, er gilt vor allem der eigenen Partei.

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