Süddeutsche Zeitung

Streit über Autovervollständigung:Google sucht die Grundsatzdiskussion in der Causa Wulff

Kann ein Internetunternehmen für automatisch generierte Inhalte juristisch zur Verantwortung gezogen werden? Ja, findet Bettina Wulff und hat eine Unterlassungsklage gegen Google eingereicht. Die Suchmaschine bietet Nutzern bei Eingabe des Namens der früheren First Lady zusätzliche Suchbegriffe wie "Rotlichtvergangenheit" und "Escort" an. Das Unternehmen wehrt jedoch ab - und verweist auf die eigenen Nutzer.

Es sind nur Gerüchte, nichts als Gerüchte. Unbestätigte Mutmaßungen um das frühere Leben der Ex-First Lady Bettina Wulff, die Verschwörungstheoretiker im Internet verbreiteten. Trotzdem werden diese Gerüchte die Öffentlichkeit noch länger beschäftigen. Denn sie haben einen Rechtsstreit ausgelöst, der vermutlich andauern wird.

Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ihrer Samstagausgabe berichtete, hatte Bettina Wulff bei Gericht eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, wonach alle Behauptungen über ihr angebliches Vorleben als Prostituierte oder als sogenannte Escort-Dame falsch seien. Der Anwalt der 38-Jährigen ging mit Unterlassungsklagen gegen verschiedene Medien und Berichte vor, die dies behauptet hatten. Auch der TV-Moderator Günther Jauch und der Internetgigant Google bekamen Post von Anwalt Gernot Lehr.

Doch während der Quiz- und Talkshowmoderator einknickte, weil er - nach eigener Aussage - "kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit Frau Wulff" habe, lässt es Google auf eine Auseinandersetzung vor Gericht in der Sache ankommen. Das Unternehmen sucht offenbar die Grundsatzdiskussion und -entscheidung, inwieweit es für automatisch generierte Inhalte zur Verantwortung gezogen werden kann.

"Google schlägt diese Begriffe nicht selbst vor"

Wulffs Klage im Fall Google richtet sich vor allem gegen die Autovervollständigungs-Funktion der Suchmaschine. Die Gattin des ehemaligen Bundespräsidenten will verhindern, dass bei Eingabe ihres Namens automatisch Suchbegriffe wie "Rotlichtvergangenheit" oder "Escort" auftauchen. Das Unternehmen beruft sich jedoch darauf, dass diese Begriffsvorschläge kein redaktioneller Inhalt, sondern ein automatisch generiertes Spiegelbild der Nutzersuchen seien.

"Google schlägt diese Begriffe nicht selbst vor - sämtliche in Autovervollständigung angezeigten Begriffe wurden zuvor von Google-Nutzern eingegeben", sagte Kay Oberbeck, Sprecher von Google Nord-Europa, zu Süddeutsche.de. Die Suchwort-Assoziationen seien das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren, inklusive der Popularität der eingegebenen Suchbegriffe. "Google hat in Deutschland bereits fünf ähnliche Verfahren geführt - jedesmal sind die Gerichte unserer Darstellung gefolgt und haben die Klagen abgewiesen", zeigte sich Oberbeck zuversichtlich.

Andere Länder haben in der Frage, inwieweit das Internetunternehmen für automatisch generierten, ethisch bedenklichen Content verantwortlich ist, jedoch zu Ungunsten Googles geurteilt. Das Online-Magazin ZDNet.com berichtet über einen Fall in Italien. Ein Gericht in Mailand gab einem Nutzer Recht, der sich wegen der Autovervollständigung als Schwindler verunglimpft sah. Ein anderes urteilte jedoch zugunsten von Google.

In Japan verurteilte ein Gericht Google dazu, die Autovervollständigung bei der Eingabe eines bestimmen Namens in die Suchmaske zu ändern. Und in Frankreich einigte sich der Suchmaschinen-Anbieter zu nicht näher genannten Konditionen mit mehreren Organisationen, die dagegen vorgingen, dass bei der Suche nach bekannten Namen unter den Vervollständigungs-Vorschlägen das Wort "juif" (Jude) auftaucht.

Die Entscheidung in der Causa Wulff gegen Google ist offen. Das Unternehmen will nach Aussage von Sprecher Oberbeck als Reaktion auf die Klage eine eigene Antwort verfassen. "Dann muss das Gericht entscheiden."

Eine andere Auseinandersetzung hat die frühere First Lady dagegen schon gewonnen. TV-Moderator Günther Jauch hatte seinen Anwalt nach SZ-Informationen bereits am Freitagabend, nur wenige Stunden nach Zustellung einer Klage wegen "Unterlassung falscher Tatsachenbehauptungen", damit beauftragt, den Unterlassungsanspruch anzuerkennen. Zwar muss in der Sache nun noch ein Anerkenntnisurteil des Landgerichts Hamburg ergehen, doch zu einem Aufeinandertreffen der Parteien vor Gericht wird es wohl nicht kommen.

Jauchs Anwalt Christian Schertz betonte am Samstag, sein Mandant habe eingelenkt, "ohne ein Fehlverhalten einzuräumen". Der Moderator hatte in einer TV-Sendung im Dezember vergangenen Jahres die Berliner Zeitung zitiert, die behauptet hatte, in Berlin werde "gemunkelt", die Bild-Zeitung könne "mit einer Geschichte über das frühere Leben Bettina Wulffs aufwarten". Weiter hatte Jauch gesagt: "Angeblich verfügt die Redaktion über Informationen, die bisher auf Weisung von ganz oben nicht gedruckt werden dürfen. Aus Respekt vor dem Amt des Bundespräsidenten."

Während Jauch seine journalistische Sorgfaltspflicht durch die Äußerungen nicht verletzt sah, warf Wulff dem angesehenen Moderator vor, die im Netz kursierenden Gerüchte und Denunziationen damit erst gesellschaftsfähig gemacht zu haben. Diese wurden nach Informationen der SZ ursprünglich aus niedersächsischen CDU-Kreisen gestreut und sollten offenbar vor allem Christian Wulff treffen, der damals noch CDU-Ministerpräsident war.

Die SPD hat von Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) daher Aufklärung über den Ursprung der Gerüchte zu Bettina Wulff gefordert. "David McAllister muss die Vorwürfe schnell aufklären", sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der Bild am Sonntag.

Nicht nur wegen des Rechtsstreits mit Google dürfte Bettina Wulff vorerst in der Medienöffentlichkeit präsent bleiben. Jenseits des juristischen Kampfes um ihren Ruf geht die 38-Jährige in die publizistische Offensive. Bereits in diesem Monat soll ein Buch über ihr Leben erscheinen - die neuen Schlagzeilen dürften der Auflage nicht schaden.

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