Streit in der Union:Seehofer wandelt auf den Spuren von Strauß

  • Der Streit zwischen dem CSU-Chef und der Kanzlerin hat inzwischen die Ausmaße des legendären Konflikts zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß erreicht.
  • Jetzt kokettiert der bayerische Ministerpräsident sogar mit einer Ausdehnung der CSU auf ganz Deutschland.
  • Das wird natürlich nicht kommen, zeigt aber, wie tief der Graben im Streit um die Flüchtlingspolitik geworden ist.

Kommentar von Robert Roßmann

Wenn es zwischen CDU und CSU mal wieder rumpelt, verweist Peter Altmaier gerne auf die alten Zeiten. Zwischen Franz Josef Strauß und Helmut Kohl seien "die Fetzen doch ganz anders geflogen" erklärte der Kanzleramtsminister auch gestern wieder, um den Streit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel zu relativieren. Doch inzwischen kann man sich nicht mehr sicher sein, dass Altmaier damit tatsächlich recht hat. Die Attacken der CSU-Chefs gegen die CDU-Vorsitzende erreichen gerade Strauß'sche Größenordnungen.

Jetzt hat Seehofer sogar mit dem Antreten der CSU in ganz Deutschland kokettiert. Es sei zwar "richtig, wenn wir uns nicht bundesweit ausdehnen, sondern stattdessen in die CDU hineinwirken", sagte der CSU-Chef der Passauer Neuen Presse. Aber niemand könne dafür "Ewigkeitsgarantien abgeben". Um die Wucht des Satzes zu verstehen muss man sich nur vorstellen, wie die eigene Frau reagieren würde, wenn man ihr sagte: "Es ist zwar richtig, dass wir zusammen sind - aber eine Ewigkeitsgarantie dafür möchte ich Dir nicht geben."

Seit 40 Jahren sind sich CDU und CSU nicht mehr so fremd gewesen

Horst Seehofer fährt in seiner Verzweiflung über den Kurs der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik immer wildere Attacken gegen die CDU-Chefin. Am Montag verkündete er, der "Protest light" sei nun beendet. Zuvor hatte er seine Unterstützung für eine Kanzlerkandidatur Merkels bei der nächsten Bundestagswahl in Frage gestellt und der CDU-Chefin vorgeworfen, für eine "Herrschaft des Unrechts" in Deutschland verantwortlich zu sein. Verglichen damit ist seine geplante Verfassungsklage gegen die Bundesregierung fast schon eine Petitesse.

Der einzige Unterschied zu den Streit-Zeiten rund um den Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 ist noch, dass Seehofer im Gegensatz zu Strauß nicht selbst Kanzler werden will. Das war es dann aber auch schon. CDU und CSU sind sich seit 40 Jahren nicht mehr so fremd gewesen wie jetzt.

Seehofers unaufhörliches Drehen an der Eskalationsspirale ist aber auch Ausdruck seiner Ohnmacht. Dem bayerischen Ministerpräsidenten fehlt der Hebel, mit dem er die Kanzlerin tatsächlich zu einem anderen Kurs zwingen könnte. Ein Auszug der CSU-Minister aus der Bundesregierung würde den Christsozialen endgültig alle Einfluss-Möglichkeiten nehmen, schon jetzt müssen sie damit leben, dass CDU und SPD auch ohne CSU eine Mehrheit im Bundestag haben.

Die Umfragewerte beweisen Seehofer, dass er recht hat

Vor allem aber würde ein Auszug der CSU-Minister auch das Ende der gemeinsamen Bundestagsfraktion mit der CDU bedeuten. Die Spaltung würde die gesamte Union derart erschüttern, dass sich selbst die schlimmsten Merkel-Kritiker die Folgen nicht ausmalen wollen.

Das weiß auch Seehofer. Deswegen wird es natürlich keine Ausdehnung der CSU auf ganz Deutschland geben. Und deswegen werden die Bayern die große Koalition natürlich nicht verlassen. Genau deshalb macht sich Seehofer aber mit seinen Drohungen lächerlich. Wer ständig nur brüllt, aber nichts erreicht, wird irgendwann nicht mehr ernst genommen.

Aber warum dann diese Eskalation? Die Kanzlerin bemüht sich derzeit um eine aus ihrer Sicht vernünftige Lösung der Flüchtlingsfrage für ganz Deutschland und Europa. Den Absturz ihrer CDU in den Umfragen nimmt sie dabei in Kauf. Seehofer ist nicht Kanzler in europäischer Verantwortung, er schaut eher auf das Schicksal der Union an den Wahlurnen - und vor allem auf die Chancen seiner CSU in Bayern. Der Rest ist ihm ziemlich egal.

Seehofer gelingt es, die AfD klein zu halten

Eines kann man Seehofer aber nicht vorwerfen: Dass er mit seinem Kurs der CSU schaden würde. Während die CDU am vergangenen Sonntag abgestraft wurde, sagt die neueste Umfrage der CSU wieder eine absolute Mehrheit im Bayerischen Landtag voraus. Seehofer gelingt es auch, die AfD klein zu halten. Die Umfrage sieht sie in Bayern bei vergleichsweise geringen neun Prozent. In Baden-Württemberg, dem Bundesland, das Bayern vermutlich am ähnlichsten ist, holten die Rechtspopulisten am Sonntag 15 Prozent.

Für Seehofer beweisen diese Zahlen, dass er recht hat. Auch deshalb dürfte er noch lange nicht aufhören, den Streit mit Merkel öffentlich zu befeuern - egal, was die Kanzlerin für ein Ergebnis vom EU-Gipfeltreffen nach Hause bringen wird. Für das Land bedeutet das nichts Gutes. Anders als 1976 ist die Union heute nicht in der Opposition. Der Streit zwischen CDU und CSU verwirrt also nicht nur Unionsanhänger, er lähmt eine ganze Regierung.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: