Streit in der Hauptstadt:Empörung über Berliner Mietenpläne

Die Opposition will das Verfassungsgericht anrufen, wenn der rot-rot-grüne Senat die Mieten für fünf Jahre einfriert.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und der rot-rot-grüne Senat werden massiv wegen ihres Vorhabens kritisiert, die Mieten in Berlin einzufrieren. "SPD, Linke und Grüne haben unsere Stadt tief gespalten und Unfrieden gesät", sagte CDU-Oppositionsführer Burkard Dregger. Der Senat treibe ein "infames Spiel mit den Ängsten der Menschen". FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nannte das Vorhaben einen "perfiden Plan zur Einführung der Planwirtschaft".

Berlins linke Regierung hatte sich am Freitagabend nach langen und zähen Verhandlungen auf den sogenannten Mietendeckel geeinigt, eine bundesweit einmalige Regelung zum Schutz der Mieter. Sie sieht vor allem vor, dass die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen auf fünf Jahre festgeschrieben werden. Bürgermeister Müller sprach von einer "Atempause" für die Bewohner. In Fällen, in denen die Mieten um 20 Prozent über dem ortsüblichen Niveau liegen, sollen diese auch gesenkt werden können. Der Mietendeckel ist das wichtigste Projekt der rot-rot-grünen Koalition, die darüber fast zerbrochen wäre. Der nun gefundene Kompromiss soll am Dienstag im Senat abgesegnet werden.

Heftiger Widerstand gegen den Gesetzentwurf kommt auch von der Immobilienwirtschaft. "Die Berliner Landesregierung kehrt zurück zur sozialistischen Wohnungspolitik", sagte Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands IVD. Die Deutsche Wohnen, Berlins größter Vermieter, bezeichnete den Vorstoß des Senats als einen "Frontalangriff".

Das Geschäftsgebaren des Unternehmens war einer der Anlässe für den Mietendeckel. Die Deutsche Wohnen hatte seit der Finanzkrise 2008 in großem Stil Häuser in Berlin aufgekauft und die Mieten bei Neuvermietungen und über Modernisierungen teils stark erhöht. Dieses Vorgehen löste im Frühjahr eine Initiative für ein Volksbegehren zur Enteignung der Deutsche Wohnen und anderer Wohnungskonzerne aus. Mit dem Mietendeckel will der Senat diesen Konflikt entschärfen.

Die Mieten in Berlin sind in den vergangenen Jahren stärker gestiegen als in den meisten anderen deutschen Großstädten, gleichzeitig sind viele Bewohner auf staatliche Unterstützung angewiesen. Reiner Wild, Geschäftsführer des Mietervereins, sagte, er sei "sehr glücklich" über die Einigung. Der Mietendeckel sei "eine historisch einmalige Chance, dass die Länder eine öffentlich-rechtliche Preisregelung für den Mietwohnungsbestand entwickeln". Wild rechne aber mit erheblichem Widerstand der Vermieter. "Es wird eine ganze Reihe von Auseinandersetzungen geben."

Die Berliner CDU, die FDP und die Unionsfraktion im Bundestag haben bereits angekündigt, den Mietendeckel vor das Verfassungsgericht zu bringen. Denn der Senat betritt mit der Regelung rechtliches Neuland. Ob er dabei seine Kompetenzen in der Mietenpolitik überschreitet, ist unter Juristen umstritten. Zuletzt sagte der renommierte Staatsrechtler Ulrich Battis, ein reiner Mietenstopp sei von der Verfassung gedeckt, die Absenkung vermutlich aber nicht.

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