Streit in Baden-Württemberg:Lügen und Budenzauber

In Stuttgart werfen sich Regierung und Opposition gegenseitig vor, mit dem Einstieg beim Energieversorger EnBW Wahlkampf zu betreiben. Ministerpräsident Mappus gerät erneut in Bedrängnis.

Roman Deininger

Es wurde ein Schauspiel geboten am Montagmittag im Moser-Saal des Stuttgarter Landtags, zur Aufführung kam das innere Beben des Nils Schmid. Die Mitteilungen, die er zum EnBW-Geschäft des Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) zu machen hatte, schienen dem SPD-Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am 27. März ein Hochgefühl zu bescheren. "Herr Mappus hat die Öffentlichkeit und das Parlament belogen", sprach Schmid. "Herr Mappus ist überführt."

Streit um EnBW-Kauf

Hat Ministerpräsident Mappus (CDU) im Zusammenhang mit dem EnBW-Geschäft gelogen? Die SPD fordert eine Erklärung.

(Foto: dpa)

Nun müsse er "die Lüge eingestehen und sich entschuldigen". Mappus, der sich nach dem CDU-Parteitag am Samstag in der Offensive wähnte, bringt sein bisweilen rauer Regierungsstil damit einmal mehr in Bedrängnis.

Der Vorwurf der Lüge bezieht sich auf seine Regierungserklärung vom 15. Dezember. Damals verteidigte er sein Vorgehen beim Rückkauf eines 45-Prozent-Anteils an dem Karlsruher Energieversorger EnBW, den er ohne Zustimmung des Landtags beschlossen hatte. Das Parlament hatte mit Regierungsmehrheit erst im Nachhinein zugestimmt.

Mappus berief sich bei dem Geschäft auf das "Notbewilligungsrecht" der Regierung, das eigentlich für den Katastrophenfall vorgehen ist. Nur durch die so gesicherte Vertraulichkeit habe der Deal bei günstigem Kurs zustande kommen können. Die Verfassungsmäßigkeit seines Handelns, sagte Mappus, sei "vorab" durch "ein verfassungsrechtliches Gutachten der beratenden Anwaltskanzlei" bestätigt worden.

Genau dies zieht die SPD nun in Zweifel: Das fünfseitige schriftliche Gutachten jener Kanzlei Gleiss Lutz ist nämlich erst auf den 15. Dezember, den Tag der Regierungserklärung, datiert. Bekanntgegeben hatte Mappus den Deal bereits am 6. Dezember. Mit seinem Überraschungscoup wollte er sich wohl als starker Mann profilieren. Jetzt könnte der offenbar überstürzte Alleingang zur Belastung im Wahlkampf werden.

Die Regierung rechtfertigt sich damit, dass das Gutachten zunächst mündlich erstattet worden sei - eine eher ungewöhnliche Verfahrensweise bei einem Geschäft mit einem Finanzvolumen von fast sechs Milliarden Euro. "Diese Stellungnahme datiert zwar vom 15. Dezember 2010, basiert jedoch auf internen Memos der Anwaltskanzlei aus der Zeit vor dem 6. Dezember 2010", schreibt Mappus' Staatsminister Helmut Rau (CDU) in seiner Antwort auf eine Anfrage der SPD. Die Memos seien von der Kanzlei "nicht zur Weitergabe freigegeben" worden. Gleiss Lutz bestätigt diese Version.

SPD hat Zweifel

Die SPD bezweifelt überdies Mappus' Behauptung, der Verkäufer der EnBW-Anteile, der französische Staatskonzern Électricité de France (EdF), habe einen Parlamentsvorbehalt strikt abgelehnt. EdF hatte sich bisher nicht konkret zu dieser Frage äußern wollen.

Am Montag sagte eine EdF-Sprecherin dann plötzlich den Stuttgarter Nachrichten, das Unternehmen "hätte niemals ein Angebot mit Vorbehalten akzeptiert". Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl nannte die Vorwürfe am Montag "faulen Budenzauber vor der Landtagswahl". Die Regierung habe "schnell handeln" müssen, um die Übernahme der EnBW durch "ausländische Heuschrecken" zu verhindern.

SPD und Grüne hatten schon vor zwei Wochen angekündigt, vor dem baden-württembergischen Staatsgerichtshof gegen die Verletzung des Haushaltsrechts des Landtags klagen zu wollen. Das für das Notbewilligungsrecht nach Artikel 81 der Landesverfassung geforderte "unvorhergesehene und unabweisbare Bedürfnis" liege nicht vor, gab sich SPD-Landeschef Schmid überzeugt. Das Gutachten von Gleiss Lutz erkennt dagegen "zwingende wirtschaftliche Gründe", die eine Umgehung des Parlaments rechtfertigen können.

Schmid bezeichnete das Gutachten als "juristisch dünn", er rechne "mehr denn je" mit einem Erfolg der Klage. Der Staatsgerichtshof kann das Geschäft, dem in der Sache auch die SPD zustimmt, nicht rückgängig machen. Er kann eine Verfassungswidrigkeit in der Abwicklung nur feststellen.

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