Streit im NSU-Prozess:"Es ist ungehörig, wenn Sie mir so kommen!"

Der Vater des ermordeten Halit Yozgat will im NSU-Prozess eine Erklärung abgeben. Daraufhin liefern sich sein Anwalt und Richter Götzl ein Wortgefecht. Und dann mischt sich auch noch Zschäpes Verteidiger ein.

Aus dem Gericht von Tanjev Schultz

Die Emotionen kochen zwischenzeitlich wieder mal hoch im NSU-Prozess. Richter Manfred Götzl liefert sich am Dienstag ein Wortgefecht mit einem Nebenklage-Anwalt, auch Zschäpes Verteidigung schaltet sich ein. Auslöser ist der Wunsch des Nebenklägers Ismail Yozgat, eine Erklärung zum Verlauf des Prozesses abzugeben. Er ist der Vater von Halit Yozgat, der am 6. April 2006 in einem Internetcafé in Kassel erschossen wurde. Die Angehörigen des Opfers können nur gelegentlich anreisen zum Prozess, nun möchte der Vater das Wort ergreifen.

Als er, wie stets förmlich und höflich, ansetzt und die Prozessbeteiligten begrüßt, unterbricht ihn der Richter. Götzl möchte erfahren, worum es in der Erklärung denn gehen soll. Denn laut Strafprozessordnung darf eine Erklärung im laufenden Verfahren nicht den Charakter eines grundsätzlichen Plädoyers haben, sondern soll sich auf einen zuvor gehörten Zeugen beziehen. In diesem Falle wäre dies ein Polizist aus Kassel, der ein Video vom Tatort erläutert hatte.

Nun schaltet sich Yozgats Anwalt Thomas Bliwier ein und bittet darum, die Erklärung seines Mandanten zuzulassen: "So viel Zeit muss sein." Herr Yozgat habe eine beschwerliche Anfahrt gehabt. Götzl sagt, der Anwalt müsse den Mandanten aber beraten, wann der richtige Zeitpunkt sei: "Sie sind dafür da, ihn entsprechend zu informieren." Er wolle nicht kleinlich sein, es gebe jedoch eine Verfahrensordnung, an die man sich halten müsse. Als Bliwier es wagt, darauf hinzuweisen, dass die Erklärung schon längst beendet worden wäre, wenn man nicht diese Diskussion führen müsste, wird Götzl zornig: "Es ist ungehörig, wenn Sie mir so kommen!" - Bliwier: "Wir werden nicht unseren Mandanten entmündigen." - Götzl: "Darum geht es doch überhaupt nicht!"

"Jetzt setzen Sie sich ja selbst in Widerspruch"

Als Götzl Anstalten macht, die Erklärung vielleicht doch zu erlauben, mischt sich Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer ein: "Jetzt setzen Sie sich ja selbst in Widerspruch, Herr Vorsitzender!" Dieser habe doch hingewiesen auf die Strafprozessordnung. Dann nimmt die Bundesanwaltschaft Stellung: "Wenn ich persönlich gefragt würde, ob Herr Yozgat eine Erklärung abgeben darf, würde ich sagen: kann er", lässt Bundesanwalt Herbert Diemer wissen. Doch die Strafprozessordnung sei bindendes Recht. Bliwier sagt, die Rechtslage sei auslegungsfähig - und Zschäpes Verteidiger solle sich für seine Intervention schämen.

Nach einer Pause lenken Yozgat und seine Anwälte ein. Nun soll die Erklärung erst am Mittwoch abgegeben werden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: