Streik an kommunalen Krankenhäusern:Spürbare Folgen

Der Marburger Bund startet heute Warnstreiks in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Davon sind weit mehr Kliniken betroffen als vom gerade beendeten Arbeitskampf der Uniklinik-Ärzte.

Heidrun Graupner

Die Ärzte sind streikbereit bis in die Haarspitzen." Diesen Satz hat Athanasios Drougias, Sprecher des Marburger Bundes, immer wieder gesagt. Seit dem Wochenende kann er diese Behauptung auch mit Zahlen belegen: 97,1 Prozent der Ärzte stimmten in der Urabstimmung der Gewerkschaft dafür, auch in den kommunalen Krankenhäusern einen Arbeitskampf zu beginnen.

Der Gewerkschaftsvorsitzende Frank Ulrich Montgomery warnt die Arbeitgeber vor einem ¸¸heißen Sommer". Einen Vorgeschmack sollen sie schon an diesem Montag bekommen. Es beginnen Warnstreiks in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg.

Ohne neue Verhandlungen der Tarifparteien werden viele der 70.000 Ärzte in den 700 kommunalen Krankenhäusern die Arbeit niederlegen, jedenfalls bei Behandlungen, die sich verschieben lassen. Der Verhandlungsführer der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Otto Foit, warnt bereits vor schlimmen Folgen für die Patienten, denn die Krankenhäuser seien das Rückgrat der medizinischen Versorgung.

Ärztestreiks ohne Ende. Schätzungsweise 120 bis 140 Millionen Euro hat der 13 Wochen lange Arbeitskampf die 41 Universitätskliniken und Landeskrankenhäusern gekostet, weil sie in dieser Zeit weniger Patienten behandeln konnten. Wie vor ein paar Wochen die Länder mit ihrem Verhandlungsführer Hartmut Möllring, so tauscht jetzt die VKA mit dem Marburger Bund wieder die fast gleichen Argumente aus.

Der Marburger Bund verlangt einen eigenen Ärzte-Tarifvertrag, der mehr sein müsse als nur die Kopie des Tarifvertrages im öffentlichen Dienst. ¸¸Kein Arzt wird einen Tarifvertrag akzeptieren, der nicht vom Marburger Bund unterzeichnet wurde", sagt Montgomery. Er fordert ¸¸angemessene Gehälter" und bessere Arbeitsbedingungen.

Die ¸¸Marathon-Dienste" mit mehr als 24 Stunden Arbeit am Stück müssten endlich aufhören und Überstunden vollständig bezahlt werden. Die bittere Realität der immer schlechteren Arbeitsbedingungen bekämen auch die Patienten zu spüren, die auf überlastete Ärzte träfen, sagt Montgomery.

15 Prozent weniger

Die VKA bietet den Ärzten zwar formal einen eigenen Tarifvertrag an. Inhaltlich aber ist dieser identisch ist mit dem Tarifvertrag für den übrigen öffentlichen Dienst. Der Vorschlag enthalte, sagt Foit, eine ¸¸angemessene Bezahlung", die Arbeitszeiten entsprächen EU-Recht.

Ein junger Arzt im ersten Jahr würde demnach an einer kommunalen Klinik in den alten Bundesländern 3060 Euro verdienen - das wären 15 Prozent weniger als ein Kollege an der Uni-Klinik nach dem neuen Tarifvertrag.

Mehr, sagt Foit, könne man nicht bezahlen, denn die Einnahmen seien gesetzlich begrenzt und erhöhten sich 2006 um nur 0,63 Prozent. Davon müssten steigende Personal-, Energie- und Sachkosten finanziert werden.

Eine Erhöhung der Krankenhaus-Budgets lehnt die Bundesregierung ab, da dies die Beiträge zu den Krankenkassen weiter in die Höhe treiben würde. Schon jetzt ist die finanzielle Lage vieler Krankenhäuser freilich schlecht. Jedes zweite schreibt rote Zahlen, immer mehr Kliniken werden an private Konzerne verkauft. In Ostdeutschland gibt es kaum noch kommunale Häuser. Ein Streik könnte diesen Prozess beschleunigen.

Den kommunalen Arbeitgebern sitzt zudem die Gewerkschaft Verdi im Nacken, die mit neuen Streiks droht, falls den Ärzten ein höherer Anstieg ihrer Gehälter angeboten würde als beispielsweise Krankenschwestern, Mitarbeitern der Krankenhaus-Verwaltungen oder dem Küchenpersonal an den Kliniken.

Von einer schwierigen finanziellen Lage der kommunalen Häuser spricht auch der Marburger Bund. Man sei deshalb ja kompromissbereit, heißt es. Doch habe die VKA auch in der fünften Verhandlungsrunde kein substanzielles Angebot vorgelegt, weshalb die Gespräche gescheitert seien.

Umstrittenes Verfahren

Von einem neuen Angebot sprechen die Arbeitgeber bisher nicht. Sie schauten in den vergangenen Tagen vielmehr auf die Internet-Seite des Marburger Bundes und stellten fest, dass sich dort jeder die Zettel für die Urabstimmung herunterladen könne, ohne Angabe von Mitgliedsnummer und Beruf. VKA-Sprecherin Svea Thümmler bezeichnete das als ¸¸sehr merkwürdig, wir behalten uns vor, das Ergebnis der Urabstimmung rechtlich überprüfen zu lassen".

Marburger-Bund-Sprecher Drougias weist diesen Vorwurf zurück. Die Stimmzettel stünden im geschützten Bereich und persönliche Angaben würden nicht verlangt, da es eine geheime Wahl sei, die der Kommunikation diene. ¸¸Zum Streik kann der Marburger Bund nach seiner Satzung auch ohne Urabstimmung aufrufen."

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