Süddeutsche Zeitung

Verkehrspolitik:Das soll in der erneuerten Straßenverkehrsordnung stehen

Lesezeit: 3 min

Von Marco Völklein, München

Es ist ein ganzes Paket an Maßnahmen, das Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am kommenden Montag auf den Weg bringen möchte. Mit zahlreichen Änderungen und Neuerungen in der Straßenverkehrsordnung (StVO) will er "unsere Straßen noch sicherer, klimafreundlicher und gerechter" machen, wie der CSU-Politiker sagt. Einiges davon ist arg umstritten. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Was plant der Minister?

Scheuers Entwurf sieht unter anderem härtere Strafen vor, etwa für Autofahrer, die keine Rettungsgasse bilden. Sie sollen künftig ein Bußgeld von bis zu 320 Euro zahlen, außerdem droht ein Monat Fahrverbot. Wer unerlaubt in zweiter Reihe parkt oder auf Geh- und Radwegen, soll statt 15 Euro künftig bis zu 100 Euro zahlen. Außerdem sollen die vor Kurzem eingeführten Elektrotretroller auch auf Busspuren fahren dürfen. Um den motorisierten Individualverkehr zu verringern, sieht der Vorschlag außerdem die Freigabe von Busspuren für Pkws oder Krafträder mit Beiwagen vor, sofern diese mit mindestens drei Personen besetzt sind.

War vieles davon nicht schon bekannt?

Zum Teil ja. Insbesondere Neuerungen rund ums Radfahren hatte Scheuer bereits vor Wochen vorgestellt; so soll unter anderem Autofahrern beim Überholen von Fußgängern, Radfahrern oder E-Tretrollern künftig per Gesetz ein Mindestabstand von 1,5 bis zwei Metern vorgeschrieben werden. Den "grünen Pfeil" beim Rechtsabbiegen soll es künftig auch speziell für Radfahrer geben. Ebenfalls bereits vorgestellt hatte Scheuer einen Passus, wonach Kommunen künftig spezielle Carsharing-Parkplätze "rechtssicher" ausweisen können, wie es heißt. Neu in dem Paket des Ministers ist, dass das Abschalten von Notbremsassistenzsystemen durch den Fahrer ab einer Geschwindigkeit von mehr als 30 Kilometer pro Stunde verboten werden soll. Wer gegen die neue Vorschrift verstößt, muss mit einem Bußgeld in Höhe von 100 Euro rechnen und bekommt einen Punkt in Flensburg.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Unterschiedlich. Ein Sprecher der Deutschen Verkehrswacht begrüßte es, dass "das Problem Rettungsgasse weiter angegangen wird". Die Freigabe von Busspuren für andere Verkehrsteilnehmer hingegen stößt auf heftige Kritik. "Busspuren sollen dem öffentlichen Personennahverkehr sowie den jetzt schon bestehenden Ausnahmen wie Fahrrädern, Taxis oder Krankenwagen vorbehalten bleiben", sagte Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne). Ähnlich sieht es der Landesverband Bayerischer Omnibusbetreiber (LBO). Busspuren seien "dazu gedacht, dass Busse nicht im Stau stehen und die Fahrgäste zügig und pünktlich ans Ziel kommen", sagt Geschäftsführer Stephan Rabl. Sollten die Spuren künftig in großer Zahl von Pkws und E-Rollern befahren werden, "führt das zwangsläufig zu längeren Fahrzeiten im Nahverkehr und damit einer geringeren Attraktivität dieser umweltfreundlichen Alternative".

Was steht nicht in Scheuers Novelle?

Im Januar 2018 hatten sich Fachleute auf dem Verkehrsgerichtstag in Goslar für eine "spürbare Anhebung" der Bußgelder bei "sicherheitsrelevanten Verstößen" ausgesprochen - also insbesondere bei Geschwindigkeitsübertretungen, Abstands- oder Überholvergehen. Nur so könne der "zunehmenden Aggression im Straßenverkehr" begegnet werden, findet Stefan Heimlich, Vorstand des Auto Club Europa (ACE). Doch in den bislang bekannt gewordenen Teilen von Scheuers Entwurf findet sich nichts in diese Richtung. Die Verkehrswacht sprach sich deshalb für eine grundlegende Reform aus: Dazu sollten "Maßnahmen und Bußgelder unter Verkehrssicherheitsaspekten wissenschaftlich ausgewertet und priorisiert werden", erklärte ein Sprecher.

Wie ist es um die Sicherheit auf deutschen Straßen generell bestellt?

Eher unbefriedigend. 2018 kamen laut Statistischem Bundesamt 3275 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben, drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Zahl der Verletzten stieg um 1,5 Prozent auf 396 000. Dabei hatte sich die damalige Bundesregierung zu Beginn des Jahrzehnts noch vorgenommen, bis 2020 die Zahl der Verkehrstoten um 40 Prozent zu senken, das wären dann etwa 2400 Todesopfer im kommenden Jahr. Schon jetzt sei absehbar, dass "wir dieses Ziel krachend verfehlen werden", sagt Rainer Wendt, der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft. Und der ADAC fordert: "Die Verkehrssicherheitsarbeit benötigt dringend neue Impulse." Hilfreich wäre aus Sicht des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) zum Beispiel eine Absenkung der Höchstgeschwindigkeit auf schmalen Landstraßen von 100 auf 80 Kilometer pro Stunde. Polizeigewerkschaften und Unfallforscher fordern zudem mehr Personal für die Verkehrsüberwachung, um mehr Kontrollen durchführen und die von Scheuer geplanten höheren Bußgelder, sofern sie kommen, auch eintreiben zu können.

Wie sieht Scheuers Zeitplan aus?

Der Minister will seine Pläne am Montag seinen Kollegen in der Bundesregierung vorlegen, außerdem erhalten Verbände die Möglichkeit, sich dazu zu äußern. Bundestag sowie Bundesrat müssen der Reform zustimmen. Geht es nach dem Minister, sollen die Änderungen noch 2019 in Kraft treten.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2019
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