Süddeutsche Zeitung

Straßenmusik:Amtliches Vorspiel

Mit der Frühlingssonne kommen Straßenmusiker wieder in die Innenstädte. Dort erwarten sie oft strikte Auflagen.

Von Hendrik Munsberg

Schon als Teenager trat Rod Stewart mit Bob-Dylan-Songs auf, am liebsten vor dem Café "Les Deux Magots" in Paris. Tracy Chapman ging noch aufs College, als sie ihr Können vorführte - ein Foto zeigt sie vor einem Textilgeschäft am Harvard Square in Cambridge. Der junge Ed Sheeran ließ sich mit Gitarre durchs nächtliche London treiben. Die drei Weltstars verbindet eine Erfahrung - früh testeten sie als Straßenmusiker ihre Wirkung auf Publikum. Zu spät ist es aber nie: Den Geiger Joshua Bell drängte es noch 40-jährig mit Bach in die Washingtoner Metro.

Jetzt, da die Frühlingssonne die Innenstädte wärmt, zieht es auch in Deutschland wieder Tausende Musiker in die Fußgängerzonen, um Geld zu verdienen, aber auch um den Kick des öffentlichen Auftritts zu erleben. Vor Kaufhäusern und Boutiquen packen sie Gitarre, Saxofon, Glasharfe oder Geige aus - und legen oft erstaunlich virtuos los, bis sich Passanten um sie scharen und die Instrumentenkoffer mit Münzen oder gar Scheinen füllen. Doch was in Rod Stewarts Erinnerung als "schönste Zeit meines Lebens" haften blieb, beginnt in der Realität deutscher Städte als zäher Kampf, oft frühmorgens.

Egal ob in Hamburg, Hanau oder München - überall ersannen Behörden Regeln, um das Treiben zu zügeln. "Straßenkunst", so das Bezirksamt Hamburg-Mitte, trage zwar "zur Belebung der Innenstädte bei", doch nicht alle fänden daran Gefallen, vor allem, wenn "sich die Stücke ständig wiederholen". Die Stadt Leipzig zeigt sich noch unsensibler: Anwohner, Händler und Gewerbetreibende empfänden "Musik sehr schnell als Belästigung".

Vor dem Gig auf dem Trottoir steht daher oft der Gang zum Amt. Vielerorts brauchen Straßenmusiker eine Lizenz, die pro Tag fünf bis zehn Euro kostet. Dazu kommen jede Menge Vorschriften: maximale Spieldauer, zulässige Standorte, Mindestabstand zur Konkurrenz sowie Verkauf selbst eingespielter CDs. Diskriminiert werden Blechbläser: Trompete und Horn stehen bundesweit auf dem Index, ähnlich Schlagzeug und Dudelsack. Die Stadtoberen wissen, wie geräuschempfindlich das Einkaufspublikum sein kann.

In Bonn wurde Daniel Bongart, 38, solche Regelungswut zu bunt. Für eine Zweitageslizenz will die Stadt 25 Euro. Gitarrist Bongart, der mit Pop, Rock und Folk auftritt, rief zum Protest für gebührenfreie Straßenmusik auf. Bonn blieb stur.

Klar, dass die Kulturhauptstadt München besonders anspruchsvoll ist. Werktags gibt es von acht Uhr an im Rathaus eine Art Contest. Wer in der Fußgängerzone auftreten will, muss bis zu drei Titel vortragen. Kürzlich trat Mapiory Pal, 21, mit seiner Gitarre an. Anfangs war er leicht nervös, aber schon nach dem ersten Song beschied ihn die Jurorin: "Ich sehe, dass Sie spielen können." Das steht nun auf seiner Karteikarte. Schon mit 13 trat Mapiory in Wiesbaden auf. An sehr guten Tagen nimmt er 100 Euro ein, in einer Stunde.

Hanau lernte von München, die Musikprobe ist im Ordnungsamt. Musiker müssen hier Thomas Walter "zeigen, was sie draufhaben". Walter ist "Teamleiter Baustellen und Erlaubnisse". Streng urteilt er nicht. "In ganz wenigen Fällen" aber riet er: "Ihr müsst vielleicht noch ein bisschen üben."

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Quelle:
SZ vom 18.04.2019
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