Straßenlaternen:Auf Sparflamme

Britische Kommunen knausern beim Licht - mit fatalen Folgen.

Von Björn Finke

Weihnachten ist ein Lichterfest: Christen feiern die Geburt Jesu, der sich im Johannes-Evangelium als "Licht der Welt" bezeichnet. Doch in vielen britischen Dörfern und Städten ist es gerade unweihnachtlich duster auf den Straßen. Um Geld zu sparen, dimmen klamme Kommunen die Helligkeit ihrer Straßenbeleuchtung oder verzichten ganz darauf, nachts Laternen anzuschalten. Der Autofahrerverband AA - das Pendant zum ADAC - klagt, diese "waghalsige" Politik gefährde Leben, denn auch auf mancher Durchfahrtsstraße bleibt es nun nachtschwarz. Auf solchen Straßen dürfen Autos mit 60 Kilometern pro Stunde oder schneller fahren. Seit 2009 seien elf Menschen bei Unfällen gestorben, bei denen schlechte Sicht wegen abgeschalteter Laternen eine Rolle gespielt habe, rechnet die Autolobby vor.

Eine andere Folge der Sparpolitik ist, dass sich in manchen Gemeinden Senioren spätabends nicht mehr aus dem Haus trauen. Die Verwaltung der englischen Stadt Exeter riet Bürgern, bei Spaziergängen durch pechschwarze Straßen einfach eine Taschenlampe mitzunehmen.

Dem Ehrgeiz kreativer Kämmerer fällt damit eine Errungenschaft zum Opfer, die schon seit der Antike das Leben von Stadtbewohnern angenehmer macht. Im Mittelalter verbrannten die Straßenlaternen Öl und Fett, im 19. Jahrhundert Gas. Die erste dauerhafte elektrische Straßenbeleuchtung Deutschlands wurde 1882 in der Nürnberger Kaiserstraße installiert. Heute werden viele Laternen auf LED-Technik umgestellt, weil das Strom spart und Wartungskosten senkt. Aber zahlreiche britische Kommunen sparen auf deutlich rabiatere Art: Eine Erhebung im vergangenen Jahr ergab, dass 85 Prozent der Städte und Gemeinden Straßenlampen nachts abschalten oder dimmen.

Insgesamt informierten 104 Kommunen über ihre Lichtpolitik. Von den drei Millionen Lampen dieser Gemeinden bleiben fast 1,3 Millionen nachts dunkel. Das ist eine deutliche Steigerung im Vergleich zur vorherigen Umfrage aus dem Jahr 2014. Viele Städte geben jetzt weniger Geld für die Beleuchtung aus, obwohl die Strompreise in den vergangenen Jahren kräftig zugelegt haben. Meistens werden Laternen zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens ausgeknipst, doch einige Kommunen schalten schon um 20 Uhr auf Sparflamme um.

Das Knausern beim Strom für Lampen ist Symptom einer größeren Krise: Zahlreiche Kommunen stecken in Geldnot, manche stehen vor dem Bankrott. Ursache ist die Sparpolitik der Regierung seit der Finanzkrise. London hat die Zuschüsse an Gemeinden dramatisch gekappt. Zugleich müssen sie mehr Geld für Altenpflege aufwenden. Sie sind für bestimmte Bereiche der Pflege verantwortlich, und weil die Bevölkerung älter wird, steigen Bedarf und Kosten. Viele Kämmerer schalten nicht nur Lampen aus, sondern lassen auch die Müllabfuhr seltener kommen oder schließen Bibliotheken.

Die Regierung warnte jetzt, dass einige Gemeinden zu wenig Streusalz vorhalten - ebenfalls eine Folge des ewigen Sparens. Wird der Winter noch richtig kalt, könnten die Straßen in manchen Gemeinden nachts nicht nur unbeleuchtet sein, sondern auch wegen Salzmangel vereist. Eine schöne Bescherung.

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