Straßburg:Warum gerade Weihnachtsmärkte Anschlagsziele sind

Nach Anschlag in Straßburg

In Straßburg sichern Polizisten den Weihnachtsmarkt, er bleibt am Mittwoch und Donnerstag geschlossen.

(Foto: dpa)
  • Immer wieder werden Weihnachtsmärkte zu Anschlagszielen von Terroristen.
  • Der Grund: Dort lassen sich besonders viele "Ungläubige" treffen.
  • Nach der Tat von Straßburg wollen einige Bundesländer noch ein paar Polizisten mehr schicken.

Von Ronen Steinke

Der Videoclip sah auf den ersten Blick aus wie ein harmloses Filmchen aus der Adventszeit. Darauf zu sehen waren fröhliche Menschen, wie sie zwischen geschmückten Buden spazierten, Lichterketten, Tannenbäume, Nikolausmützen. Der Straßburger Weihnachtsmarkt war im Jahr 2000 schon einmal ins Visier von Terroristen geraten. Dieses Video war das wichtigste Beweisstück, denn darauf kommentierte ein Mann auf Arabisch: "Da sehen wir die Feinde Gottes, wie sie herumflanieren." Oder: "Ihr fahrt zur Hölle, so Gott will."

Im Dezember 2000 wurden vier Algerier in Frankfurt verhaftet, der Hinweis auf sie kam von Israels Geheimdienst Mossad. Deutsche und französische Richter stellten später fest: Wenige Monate vor den Anschlägen des 11. September hatten die Terrorplaner dieser "Frankfurter Zelle" vorgehabt, einen zur Bombe umfunktionierten Schnellkochtopf in die Luft zu jagen. Zwei der Männer hatten sich vor Gericht noch damit herausreden wollen, der geplante Anschlag habe in Wirklichkeit die Straßburger Friedenssynagoge treffen sollen. Er hätte somit weniger Menschen gefährdet als auf dem Weihnachtsmarkt.

Immer wieder Weihnachtsmärkte. In Deutschland haben die Nachrichten aus Straßburg, wo am Dienstagabend ein Mann tödliche Schüsse abgegeben hat, schlimme Erinnerungen geweckt: "Wir in Berlin denken angesichts des Geschehens von gestern Abend sofort an den brutalen Terrorangriff auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz am 19. Dezember vor zwei Jahren", sagte am Mittwoch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Ein tunesischer Islamist hatte damals einen Lastwagen in die Menge gelenkt und zwölf Menschen getötet.

Hintermann empfiehlt, zwischen Weihnachtsbuden zuzuschlagen

Im November 2016 war ein erneuter Anschlagsplan auf den Straßburger Weihnachtsmarkt befürchtet worden, sieben Männer nahm die Polizei deshalb in Straßburg und Marseille fest. Und auch im rheinland-pfälzischen Ludwigshafen war der Weihnachtsmarkt Ziel, im Dezember 2016. Ein 12-jähriger Junge hatte einen Sprengsatz gebaut, er wollte ihn in einer Kirche zünden. Dann aber empfahl ihm ein 18-jähriger Hintermann über den Messengerdienst Telegram, lieber zwischen den Weihnachtsbuden zuzuschlagen. Dort seien "viel mehr Menschen".

Darum geht es wohl. Im kalten europäischen Winter gibt es nicht viele Orte, an denen sich so viele Menschen unter freiem Himmel versammeln. Terror-Anleitungen gibt es viele im Internet, sie enthalten zynische Tipps. Gruppen wie der sogenannte Islamische Staat empfehlen darin bestimmte Waffen und Ziele. Eine besondere Präferenz für christlich konnotierte Orte fällt dort aber eigentlich nicht auf. Weder bei dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz noch bei der "Frankfurter Zelle" aus dem Jahr 2000 gab es eine frühe Festlegung darauf, dass das Anschlagsziel unbedingt ein Weihnachtsmarkt sein sollte. Ziel ist nur, "Ungläubige" zu treffen, wo immer sich eine Gelegenheit bietet. Weil der Anschlag vom Breitscheidplatz Nachahmungstäter auf den Plan rufen könnte, werden seither viele Weihnachtsmärkte mit Betonsperren und bewaffneten Polizisten geschützt. Nachdem nun die Tat von Straßburg hinzukommt, wollen einige Bundesländer noch ein paar Polizisten mehr schicken.

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