Straßburg:Europa kritisiert Terrorlisten

Die Kritik an den Terrorlisten von EU und UN wächst. Jetzt fordern die Europa-Abgeordneten einen Rechtsschutz für die Verdächtigen.

In Europa wächst die Kritik an den Schwarzen Listen, mit denen die Vereinten Nationen und die Europäische Union den internationalen Terrorismus bekämpfen wollen. Der Europarat hat einen zumindest minimalen Rechtsschutz für Terrorverdächtige auf geheimen Listen der Europäischen Union und der Vereinten Nationen gefordert.

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Dick Marty: Die Terrorlisten der EU und UN seien "eine Art von Todesurteil"

(Foto: Foto: AP)

Personen auf diesen Listen sollten über die Anschuldigungen gegen sie informiert werden, hieß es in einer Entschließung der parlamentarischen Versammlung, die am Mittwoch in Straßburg mit großer Mehrheit angenommen wurde.

Die Versammlung drängte besonders darauf, den Eintrag auf diese Listen zeitlich zu begrenzen. Die EU und die UN sollten die Verfahrensweisen der Einträge ändern, um sie "den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte anzupassen".

Als Musterbeispiel gilt der Fall der iranischen Volksmudschaheddin (Nationaler Widerstandsrat, NWRI), die vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg erfolgreich gegen ihre Einstufung als Terrororganisation auf einer EU-Liste geklagt haben, aber immer noch auf der Liste stehen. Sie haben nach eigenen Angaben eine neue Klage eingereicht.

"Menschen stehen jahrelang auf diesen Listen, ohne zu wissen, warum, und ihr Leben ist ruiniert", sagte der liberale Schweizer Abgeordnete Dick Marty, der im November 2007 "willkürliche Praktiken" bei der Aufstellung dieser Listen angeprangert hatte.

Der Eintrag bedeutet nach seinen Angaben "eine Art von Todesurteil" für Privatpersonen. Ihre Konten würden gesperrt, ihre Geschäftstätigkeit torpediert, weil sie keinen Handel mehr treiben dürften, sie dürften auch nicht mehr ins Ausland reisen. Zudem hätten die Betroffenen keinerlei Recht auf Verteidigung. Dies verletze internationales Recht, etwa die Europäische Menschenrechtskonvention.

Der 63-jährige frühere Tessiner Staatsanwalt Marty ist durch Untersuchungen über CIA-Geheimflüge und Geheimgefängnisse in Europa bekanntgeworden.

Den Sinn der Listen stellte Marty nicht in Frage, nur die Illegalität der Verfahrensweise. "Selten habe ich etwas so Ungerechtes erlebt wie die Aufstellung dieser Listen".

Auch der hochrangige Rechtsgutachter beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Luís Miguel Pioares Maduro, bekräftigte seine Kritik an der Terrorliste des UN-Sicherheitsrats.

Die Art und Weise, wie die fraglichen Listen erstellt werden, verstoße gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung, betonte die FDP-Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesjustizministerin, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Wer einmal auf der Liste stellt, ist weitgehend rechtlos."

"Menschen werden finanziell ruiniert"

Die Bundesregierung müsse sich endlich für eine Korrektur des Verfahrens der Schwarzen Listen im UN-Sicherheitsrat und in der EU einsetzen, forderte Leutheusser-Schnarrenberger. "Menschen werden finanziell ruiniert, ohne dass es ein unabhängiges Überprüfungsverfahren gibt, ob sie zu Recht oder Unrecht des Terrorismus verdächtigt werden", sagte sie.

Auf der EU-Liste stehen neben der radikalen Palästinenserbewegung Hamas auch die baskische Untergrundorganisation ETA .Wie viele Menschen und Organisation widerrechtlich auf den umstrittenen Listen stehen, ist nach Angaben Martys unklar. Auf der UN-Liste stünden die Namen von 370 Menschen sowie 125 Unternehmen oder Organisationen, die als terrorverdächtig gelten. Die EU-Liste gibt 60 Menschen oder Organisationen an. Eingetragen seien fast ausschließlich Muslime, sagte Marty.

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