Strahlenschutzkommission:Deutschlands neuer Risikoplan für Atomunfälle

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Riskante Tätigkeit: Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Krümmel bei Geesthacht während Wartungsarbeiten neben dem Brennelemente-Lagerbecken und dem Flutraum mit dem geöffneten Reaktor. (Foto: dpa)

Sicherheitszonen um Kernkraftwerke sollen erweitert werden - und Großstädte wie München oder Hamburg einbeziehen: Drei Jahre nach Fukushima-1 zieht die Expertenkommission der Bundesregierung Lehren aus dem Super-GAU.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Drei Jahre nach dem Unglück im japanischen Atomkraftwerk Fukushima-1 bahnen sich in Deutschland verschärfte Vorgaben für den Katastrophenschutz an. Das geht aus Empfehlungen der von der Bundesregierung eingesetzten Strahlenschutzkommission hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen. Demnach sollen im Fall eines schweren Atomunfalls Anwohner in einem Umkreis von fünf Kilometern rund um das Kernkraftwerk binnen sechs Stunden in Sicherheit gebracht werden. Bislang umfasste diese "Zentralzone" nur zwei Kilometer. Die daran anschließende "Mittelzone" wird von zehn auf 20 Kilometer vergrößert. "Die Evakuierung ist so zu planen, dass sie in der Mittelzone 24 Stunden nach der Alarmierung der zuständigen Behörden abgeschlossen werden kann", heißt es in dem Papier.

Die Strahlenschutzkommission war wenige Wochen nach dem Unglück in Japan beauftragt worden, die deutschen Regeln zu überprüfen. Rund um Fukushima waren in einem Umkreis von 20 Kilometern Dörfer und Städte evakuiert worden, später wurden noch in weiterer Entfernung Ortschaften geräumt. Die Reaktorkatastrophe vom März 2011 hat aber offenbar auch die Herangehensweise der Strahlenschützer geändert. Spielte bislang stets auch die geringe Wahrscheinlichkeit eines "größten anzunehmenden Unfalls" bei den Planungen eine Rolle, orientiert sich die Kommission nun allein an den möglichen Folgen. Entsprechend größer ist die Vorsorge.

Jodtabletten für Kinder und Schwangere

Sie gilt auch für Bundesbürger in großer Entfernung von einem Atomkraftwerk. So sollen sich die Behörden in einem Umkreis von 100 Kilometern darauf vorbereiten, die Bevölkerung zur Not mit Jodtabletten zu versorgen. Diese sättigen die Schilddrüse und verhindern so, dass der Körper radioaktives Jod aufnimmt. Bisher galt für diese Vorsorge ein Radius von 50 Kilometern. Durch die Ausweitung kämen auch mehrere deutsche Großstädte in die sogenannte Außenzone, darunter München und Hamburg. Auch sollten Kinder und Jugendliche sowie Schwangere bundesweit mit Jodtabletten versorgt werden.

Das Bundesumweltministerium, dem die Strahlenschutzkommission zuarbeitet, will die Empfehlungen nun an die Innenminister der Länder weiterleiten. Sie müssen die Regeln verabschieden, eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Erst kürzlich hatte auch eine Katastrophenschutz-Kommission des Bundesinnenministeriums mehr Vorsorge gegen Atomunfälle eingefordert. Als wesentliche Erfahrung aus Fukushima sei festzuhalten, "dass die bisher für die Planung der Evakuierung angenommenen Radien nicht geeignet erscheinen", hieß es in der entsprechenden Erklärung.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stellte sich am Wochenende hinter die Vorschläge der Kommission. Zwar sei ein Atomunfall wie in Fukushima "praktisch auszuschließen", sagte sie. Allerdings lehrten die Ereignisse, "dass die Katastrophenschutzplanungen unabhängig von kerntechnischen Eintrittswahrscheinlichkeiten stattfinden müssen". Angesichts mehrerer grenznaher Atomkraftwerke in Nachbarländern sollten Notfallplanungen in Europa zudem harmonisiert werden, empfahl Hendricks.

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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