Süddeutsche Zeitung

Strafverfolgung:USA wollen Europäer kidnappen dürfen

Die USA reklamieren - mit Bezug auf die Kopfgeldjagd des 19. Jahrhunderts - für sich das Recht, bei Strafverfolgungen europäische Bürger kidnappen zu dürfen. Das kam bei einer Verhandlung in London heraus.

Die USA und ihr Anspruch: Nun ist es offiziell, dass der amerikanische Staat europäische Bürger ihrer Meinung nach immer kidnappen könne, wenn sie für Strafermittlungen in den USA sein müssten.

Das bestätigte ein Anwalt im Auftrag der US-Regierung vor dem Court of Appeal in London. Der Grund: Die amerikanischen Gesetze würden das Kidnappen ausländischer Bürger erlauben, wie auch das US Supreme Court bestätigt hat. Bisher war man allgemein davon ausgegangen, dass dies nur für den besonderen Fall des Terrorismusverdachts gelte.

Das werde die "britische Geschäftswelt alarmieren", schreibt die Sunday Times, die den Fall jetzt groß schilderte. Es geht um Londoner Banker, die in den USA wegen Betrugs belangt werden, und um Dutzende andere Manager, gegen die ebenfalls im Land der unbegrenzten Möglickeiten ermittelt wird.

Das Recht auf Kidnapping durch die UDA betreffe alle, sagt der Regierungsanwalt in London. Das Procedere geht zurück auf die Kopfgeldjagd im 19- Jahrhundert.

Die amerikanischen Ansichten wurden in einer Verhandlung öffentlich, die Stanley Tollman galt, einem früheren Direktor des Fußballklubs FC Chelsea und einem Freund von Margret Thatcher, sowie dessen Frau Beatrice. Das Ehepaar aus London, das eine Hotelgruppe besitzt, wird in Amerika gesucht wegen des Verdachts auf Bankbetrug und Steuerflucht. Sie bekämpfen die Auslieferung vor den britischen Gerichten.

Ihr Neffe Gavin Tollman sollte 2005 in Kanada an die Amerikanern ausgeliefert werden. Die kanadischen Ordnungskräfte hatten ihn festgesetzt, Tollman musste Handschellen tragen. Dann ordnete ein Richter in Toronto die Freilassung an und sprach von einer "dunklen Falle". Tollman kehrte nach London zurück.

Der Rechtsvertreter der US-Regierung sagte in London: "Wenn man eine Person außerhalb der USA kidnappt und dann in die USA bringt, hat das Gericht kein Recht, sich dem zu verweigern - das geht zurück auf die Tage der Kopfgeldjagd in den 1860er Jahren."

Ein Richter fragte darauf: Seien Sie ehrlich in dieser Position! Antwort: "Das ist das Gesetz der Vereinigten Staaten."

Das US-Justizministerium wollte den Fall nicht kommentieren.

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