Strafrecht:Führerscheinentzug als Strafe ist in anderen Ländern Alltag

Polizeikontrolle, 1929

Wirksam ist die Strafe des Führerscheinentzugs nur, wenn der Staat sie auch durchsetzt. Dieser Herr hatte seinen Führerschein offenbar noch, als er 1929 bei Berlin kontrolliert wurde.

(Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)
  • Den Vorschlag von Justizminister Maas, Straftätern den Führerschein zu entziehen, lehnen 63 Prozent der Deutschen ab.
  • In anderen Ländern ist diese Maßnahme bei zahlreichen Delikten üblich, so etwa, wenn Väter keinen Unterhalt für ein Kind zahlen wollen.
  • Auch in den USA ist der Führerscheinentzug üblich, allerdings halten sich die wenigsten an das Verbot. In Norwegen kümmert sich eine eigene Behörde um die Durchsetzung solcher Strafen.

Von Ulrike Heidenreich und Claire Williams

Wer einen Führerscheinentzug für Straftäter oder säumige Unterhaltszahler erwägt - der darf in Deutschland immer mit einer leidenschaftlichen Debatte rechnen. Wer den Deutschen ans Auto geht, der trifft sie im Innersten. Bisher wird der Führerschein nur im Zusammenhang mit Verkehrsdelikten entzogen. Nach den Plänen von Justizminister Heiko Maas (SPD) soll ein Richter aber künftig - zusätzlich zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe - als "Nebenstrafe" auch bei allen anderen Vergehen ein Fahrverbot für ein paar Monate verhängen dürfen. Nur 32 Prozent befürworten den Vorstoß von Maas, 63 Prozent lehnen das ab, ergab das ZDF-Politbarometer vom Freitag. Doch vor allem bei SPD-Politikern findet die Idee Anklang.

In anderen Ländern wendet man längst härtere Bandagen an, wenn es darum geht, Geldstrafen oder Unterhalt einzutreiben. Das Einkassieren des Führerscheins ist dort nur der Anfang, auch vor Jagd- und Angelscheinen schreckt die Justiz nicht zurück.

Andere Länder haben wesentlich effektivere Instrumente für Zwangsmaßnahmen

Wenn deutsche Experten im Ausland mit Kollegen darüber sprechen, wie sie beispielsweise Unterhaltsansprüche von Kindern durchsetzen können, ernten sie dort mitleidiges Lächeln. Der Entzug des Führerscheins als eine wirksame Sanktion neben einer Haft- oder Geldstrafe ist in vielen Ländern bereits Alltag.

Der Jurist Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht in Heidelberg ist soeben von einem Workshop in den USA zurückgekommen: "Das Thema Unterhalt ist ein Dauerbrenner bei uns." Sein Institut unterstützt die Jugendämter dabei, grenzüberschreitend Kindesunterhalt geltend zu machen - und an diesem Beispiel zeigt sich, wie wirkungsvoll gerade der Entzug des Führerscheins sein kann. Die mangelnde Zahlungsmoral ist ein großes Problem: Die Hälfte aller Kinder von Alleinerziehenden hierzulande erhält keinerlei Unterhalt, und ein weiteres Viertel weniger Geld, als ihm zusteht.

Es ist übrigens kein spezielles deutsches Problem, dass Väter - um die geht es in der Regel - nicht zahlen können oder wollen. Es besteht länderübergreifend. "Nur hat man anderswo wesentlich effektivere Instrumente für Zwangsmaßnahmen zur Verfügung als bei uns", berichtet Meysen. Stetige Mahnungen, Nachfragen und Beratungen, mit denen die deutschen Jugendämter Unterhaltsschuldner freiwillig zur Zahlung bewegen wollen, verhallten meist ungehört.

"Kanada ist ein Land mit leidenschaftlichen Jägern", sagt Meysen. "Da heißt es dann: kein Unterhalt, kein Jagdschein." In den USA ist man ebenfalls einfallsreich, um Menschen dazu zu bewegen, ihren finanziellen Pflichten nachzukommen. Im Bundesstaat Georgia etwa ist Sportangeln überdurchschnittlich beliebt. Knöpfen die Behörden säumigen Zahlern den Angelschein ab, besinnen sich diese schnell und überweisen ihre Schulden.

Ein Problem: Der Staat muss das Verbot auch durchsetzen können

In Illinois wiederum hat es nachweislich zu einer enormen Steigerung von Unterhaltszahlungen geführt, mit dem Entzug des Führerscheins zu drohen, sagt Meysen. "Ist das Auto in Gefahr, fließen die Zahlungen sehr, sehr schnell." In allen 50 US-Bundesstaaten gibt es Gesetze, die es den Behörden erlauben, bei fehlenden Unterhaltszahlungen die Führerscheine einzuziehen.

Eine der strengsten Verordnungen gibt es seit 2011 in Virginia: Das Fahrverbot gilt so lange, bis der letzte Dollar überwiesen ist. In 18 Staaten darf der Führerschein auch wegen anderer Delikate einkassiert werden - wegen wilder Müllentsorgung, des Sprayens von Graffiti im öffentlichen Raum, oder Schulden bei den Studiengebühren. In Wisconsin haben fast zwei Drittel der Fälle von Führerscheinentzug nichts mit einem Verkehrsdelikt zu tun.

Nur ist das Verhängen einer Strafe das eine, die Durchsetzung aber das andere: Einer Untersuchung der US-Verkehrssicherheitsbehörde zufolge halten sich 75 Prozent der Betroffenen nicht an das Fahrverbot. Vor allem auf dem Land, wo öffentliche Transportmittel fehlen, fahren die Bestraften munter weiter Auto.

Norwegen hat eine eigene Behörde für die Eintreibung

Trotzdem hält Familienrechtler Thomas Meysen das Instrument Führerscheinentzug für wirksam: "Man braucht Zähne, die beißen könnten." Er belegt dies mit positiven Erfahrungen unter anderem in Australien, Neuseeland oder in Skandinavien. Die Norweger schaffen es, 90 Prozent der Unterhaltsforderungen einzutreiben. Eine gut ausgestattete eigene Behörde arbeitet mit automatisierten Verfahren als Grundlage. Diese sehen sowohl Zwangsmittel wie Führerscheinentzug und Pfändungen vor, aber auch individuelle Gespräche mit dem Schuldner. Erkennen die Mitarbeiter, dass bei jemandem wenig zu holen ist, reduzieren sie die Unterhaltsforderung auf ein realistisches Maß. Und bleiben so lange dran, bis beim Kind Geld ankommt.

In England gibt es eine staatliche Agentur: Der Child Maintenance Service ist damit beauftragt, die Berechnung von Unterhaltsansprüchen zu übernehmen und durchzusetzen. Die Agentur hat viele Sanktionsmöglichkeiten: Pfändung, Herabsetzung der Kreditwürdigkeit des Schuldners, Einzug dessen Führerscheins. Problematisch bei diesem Modell ist aber, dass die Alleinerziehenden und die Unterhaltsschuldner die Agentur selbst bezahlen müssen. Viele Familien, in denen sowieso zu wenig Geld ankommt, können sich das nicht leisten.

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