Antisemitismus in Österreich:"Zutiefst abzulehnen"

Ehemaliger FPÖ-Chef Strache

Kann sich nicht mehr daran erinnern, ob er eine antisemitische Widmung in ein antisemitisches Buch geschrieben hat: Rechtspopulist Heinz-Christian Strache

(Foto: dpa)

Eine offenbar von Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache verfasste antisemitische Widmung in einem Buch empört Politiker verschiedenster Parteien - selbst die FPÖ grenzt sich ab.

Von Oliver Das Gupta

Mit scharfer Kritik haben österreichische Politiker auf eine offensichtlich vom früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache geschriebene Buchwidmung reagiert. Am Montagabend hatte die Süddeutsche Zeitung die handschriftlichen Äußerungen publik gemacht, die der frühere österreichische Vizekanzler höchstwahrscheinlich Anfang der 1990er Jahre in ein antisemitisches Buch geschrieben hatte.

Inzwischen äußerte sich Strache in sozialen Netzwerken zu der Veröffentlichung. Er beklagte eine "Kampagnisierung aus dem Ausland", die Sache an sich dementierte er nicht. Strache ließ über seinen Anwalt mitteilen, dass er sich weder an das Buch noch an die Widmung erinnern könne.

Deutlich sind hingegen die übrigen Reaktionen aus der österreichischen Innenpolitik. "Widerlich", nannte die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner die Widmung. Wenn die Zeilen von Strache stammen sollten, setze sich eine lange Liste antisemitischer, rassistischer und xenophober Verfehlungen fort. "In unserer Gesellschaft darf kein Platz für Antisemitismus sein. Und in der Politik darf kein Platz für Antisemiten sein", sagte Rendi-Wagner der SZ.

Ähnlich äußert sich Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Sie nannte die Widmung "Antisemitismus der übelsten Sorte", der auf das Schärfste zu verurteilen sei.

In der Widmung, die laut einem von der SZ beauftragen Gutachter "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" von Strache stammt, werden Juden als "Gegner" und "machtlüstern" bezeichnet. Strache hatte sie vermutlich 1992 in das Buch "Jüdische Bekenntnisse" geschrieben: in ein antisemitisches Pamphlet also, das ursprünglich in der Nazi-Zeit im Nürnberger Stürmer-Verlag publiziert worden war. Bei dem allem Anschein nach von Strache signiertem Exemplar handelt es sich um einen Nachdruck, der in einem rechtsextremen Bremer Verlag erschien.

Nun ließ der frühere Vizekanzler über seinen Anwalt erklären, dass er Judenfeindlichkeit "aus tiefer Überzeugung" ablehne. Strache will mit seiner neuen Partei "Team HC Strache - Allianz für Österreich" im Oktober zur Wahl im Bundesland Wien antreten. Nach der Ibiza-Affäre hatte er sich zwischenzeitlich ins Privatleben zurückgezogen.

Nach Bekanntwerden der antisemitischen Widmung halten Vertreter anderer Parteien in Österreich Straches Rückkehr-Versuch für inakzeptabel. "So ein Charakter hat in der Politik nichts verloren", sagte Stephanie Krisper, die für die liberalen Neos im Parlament sitzt. Die Widmung sei "zutiefst abzulehnen", in Zusammenhang mit Strache sei sie allerdings "in keinster Weise verwunderlich." Die Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger fragte: "Und dieser Antisemit will in Wien kandidieren?"

"Nie ehrlich mit seiner eigenen Biographie umgegangen"

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und Israelitischen Religionsgesellschaft Österreich, legte Strache nahe, auf ein Comeback zu verzichten: "Im Sinne der politischen Hygiene wäre ein Verzicht auf sämtliche politische Ambitionen ein erster wichtiger Schritt." Deutsch erinnerte daran, dass Strache in frühen Jahren Teil der rechtsextremen Szene gewesen ist. Er sei "nie ehrlich mit seiner eigenen Biographie umgegangen", sagte Deutsch zur SZ. "Es gab keine Zäsur."

Strache hatte sich 2018 als Vizekanzler beim Wiener Korporiertenball gegen den in deutschnationalen Männerbünden teilweise verbreiteten Hass auf Juden ausgesprochen. Diese damals viel beachtete Stellungnahme ist Deutsch zufolge durch die nun aufgetauchte Widmung in Frage gestellt, Straches Aussagen gegen Antisemitismus müssten neu bewertet werden.

Strache war im Dezember wegen parteischädigenden Verhaltens aus der FPÖ ausgeschlossen worden. Norbert Hofer, sein Nachfolger im Parteivorsitz, grenzte sich nun auch im Fall der Buch-Widmung von seinem ehemaligen Parteifreund ab: "Aufgrund der Geschichte Österreichs und der besonderen Mitverantwortung für die Shoa gilt in Österreich umso mehr der Grundkonsens, dass Antisemitismus keinen Platz haben darf", erklärte Hofer auf SZ-Anfrage.

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