Süddeutsche Zeitung

Österreichs Presse zu Strache:"Die FPÖ ist zerstört"

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Die Reaktionen der österreichischen Medien auf das politische Spektakel im Land sind deutlich. Auch die "Krone" nimmt Stellung zum Strache-Video, in dem sie eine unfreiwillige Hauptrolle spielt.

Ein solches politisches Beben hat Österreich lange nicht erlebt. Die Veröffentlichung der heimlich entstandenen Ibiza-Videos durch Süddeutsche Zeitung und Spiegel, der daraus resultierende Rücktritt des Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache, die Ankündigung von Neuwahlen durch Bundeskanzler Sebastian Kurz: Innerhalb von gerade mal 24 Stunden wurde das Land durchgerüttelt.

"Am Ende hat er doch noch das Selbstverständliche getan", kommentiert nun die Wiener Tageszeitung Der Standard den Schritt von Kurz, die türkis-blaue Koalition aufzukündigen. Der Standard sieht einen "verheerenden" außenpolitischen Schaden für Österreich und folgert: Am besten wäre gewesen, Kurz hätte sich auf die Koalition mit der FPÖ gar nicht erst eingelassen.

"Wie bei einem Möchtegern-Diktator", schreibt die "Krone"

Eine prominente Rolle in den Strache-Videos spielt die auflagenstarke Kronen-Zeitung. Das Boulevard-Blatt erreicht täglich etwa zwei Millionen Leser (in einem Land mit acht Millionen Einwohnern). Wie man die Zeitung komplett zum Machtinstrument der FPÖ machen könnte, ist eines der zentralen Themen der Ibiza-Videos. Die Krone schreibt jetzt dazu: "Das ist nicht bloß 'Orbanismus' wie in Ungarn, sondern das hörte sich aus Mediensicht an wie bei einem Möchtegern-Diktator." Wer sich so gebe, "hat in den höchsten Ämtern unseres Landes nichts verloren."

Kurz wartete nach Straches Rücktritt mehrere Stunden, ehe er die Koalition aufkündigte. Das "schwächt sein Image als entscheidungsstarke Führungsperson", kommentiert die Krone.

Die Tageszeitung Kurier schreibt: "Österreich, wir haben ein Problem." Wenn die FPÖ nun in der Wählergunst abstürzen sollte, bestehe die Gefahr eines Zwei-Parteien-Staats aus ÖVP und SPÖ. Die Zeitung schlussfolgert daraus nur eine mögliche Lösung: "Der einzige Ausweg aus der schier ausweglosen Situation, die die Welt wieder einmal spöttisch auf Österreich blicken lässt: Eine völlige Katharsis, ein Neustart."

Die Tageszeitung Österreich sieht zwar eine "schmutzige Falle", in die Strache durch die heimlichen Aufnahmen gelockt worden sei, doch könne dies keine Ausrede sein. "Der Schaden, den Strache angerichtet hat, ist wohl noch gar nicht abschätzbar." Das Vertrauen in die österreichische Politik sei "auf Jahre beschädigt", ganz zu schweigen vom Vertrauen in die FPÖ. Sie werde bei der Neuwahl massiv abgestraft werden: "Die FPÖ ist zerstört!"

Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk spielt in den Ibiza-Videos eine prominente Rolle, Strache verspricht der vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte darin: "Würden wir in einer Regierungsbeteiligung sein, würden wir uns sogar vorstellen können, einen Sender zu privatisieren.... Wir könnten uns vorstellen, den ORF völlig auf neue Beine zu stellen." Daraus ist nichts geworden. Der Sender analysierte am Samstag nüchtern die politische Lage in Österreich: "Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich ein neues Machtzentrum ( in der FPÖ, Anm. d. Redaktion) bildet."

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