Fast schon gemütlich wirkt die Szenerie. Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache kommt mit einem Lächeln in das holzvertäfelte Weinlokal gegenüber dem Wiener Rathaus. Wären da nicht die ganzen Journalisten, die Mikrofone und das, was Strache zu sagen hat, könnte man meinen, er wäre auf dem Weg in eine gemütliche Runde mit Freunden, denen er eine lustige Anekdote erzählen wolle.
Aber in diesem Weinlokal in der Nachbarschaft der FPÖ-Parteizentrale sitzen eben keine Freunde und der Anlass ist für Strache auch wenig erfreulich. In die Mikrofone der Journalisten verkündet er, dass er seine FPÖ-Mitgliedschaft ruhen lassen wird. Der ehemalige Parteivorsitzende sagt, er wolle sich völlig aus der Politik und dem öffentlichen Leben zurückziehen und keine politischen Positionen mehr anstreben. Stattdessen wolle er sich auf seine Familie konzentrieren, die er mit dem Schritt schützen wolle. "Was meine Frau und Familie in den letzten Wochen ertragen mussten, das kann kein Ehemann, kein Vater zulassen", sagt Strache.
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Auch wolle er jeden weiteren Schaden von der FPÖ abwenden und "eine Zerreißprobe und Spaltung" der Partei verhindern. Es sei wichtig, dass die FPÖ ein bedeutender Faktor in der österreichischen Politik bleibe.
Hintergrund des Rückzugs sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wien gegen Strache, weil er möglicherweise Spesen falsch abgerechnet und so Parteigelder in die eigene Tasche gesteckt hat.
Strache wiederholt, dass die Vorwürfe in der Spesen-Affäre gegen ihn falsch sein. Es sei schwierig, gegen diese "Verleumdungen" anzukämpfen, die von den Gegnern der FPÖ zu einem taktisch und bewusst relativ knapp vor Wahlen gewählten Zeitpunkt öffentlich gemacht worden sein. "Ich bin überzeugt davon, dass es schlussendlich gelingen wird, alldas aufzudecken, was sich in den letzten Monaten abgespielt hat", sagt Strache.
Kein Gespräch mit der Parteiführung
Mit seiner Erklärung kommt Strache einer Suspendierung durch die Partei zuvor. Für den Fall eines nachgewiesenen Fehlverhaltens hatte Parteichef Norbert Hofer Straches Parteiausschluss angekündigt. Er nannte diesen Schritt auf die entsprechende Frage am Sonntagabend im ORF "logisch". Strache sagt, er sei ein "bisschen enttäuscht", dass es zwischen ihm und der Parteiführung ein von ihm gesuchtes Gespräch nicht gegeben habe.
Insgesamt blickt Strache positiv auf seine Zeit in der FPÖ zurück. In den vergangenen 15 Jahren habe sich die Freiheitlichen immer auf ihn verlassen können und umgekehrt. Die letzten Wochen und Monate seien für niemanden in der FPÖ leichte Zeiten gewesen, sagt Strache und spricht von durchaus intensiven "Kampagnen gegen die Freiheitliche Partei", die mit dem kurz vor der Europawahl bekanntgemachten Ibiza-Video und der Spesen-Affäre kurz vor der Nationalratswahl gestartet worden seien. Bereits nach dem von SZ und Spiegel aufgedeckten Video aus Ibiza habe er den höchstmöglichen Preis bezahlt und alle Ämter abgegeben. "Schlimmer wog für mich aber immer der Umstand, dass ich meine Wählerinnen und Wähler enttäuscht habe und für meine Fehler entschuldige ich mich abermals", sagt der Ex-Parteichef.
Das Ibiza-Video und die Spesenaffäre dürften bei der Nationalratswahl am Sonntag viele Wähler davon abgehalten haben, ihr Kreuz bei der FPÖ zu machen. Die Rechtspopulisten sind am Sonntag auf 16,2 Prozent der Stimmen abgestürzt - ein Minus von fast 10 Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017. Die FPÖ-Spitzen deuteten am Wahlabend an, dass sie die Partei künftig auf der Oppositionsbank sehen.
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