Süddeutsche Zeitung

Österreich:Strache lässt die FPÖ nicht los

  • Der frühere österreichische Vizekanzler Strache bietet seiner FPÖ an, als Chef der Wiener Landespartei in die Politik zurückzukehren.
  • Strache wird wegen der Ibiza- und der Spesen-Affäre für die schwierige Lage Partei verantwortlich gemacht.
  • FPÖ-intern hält man es für möglich, dass Strache seinen Rauswurf provozieren und dann mit einer eigenen Liste bei der Wien-Wahl 2020 antreten will.
  • Folgende Ergänzungen finden sich unter dem Text:
  • Inzwischen tendiert die Parteispitze um Obmann Hofer für den Ausschluss des ohnehin suspendierten Mitglieds Strache.
  • Eine Kommission der Wiener "Freiheitlichen" hat noch keine Entscheidung getroffen über den Entzug der Mitgliedschaft.
  • Neue Spesenvorwürfe sind gegen Strache bekannt geworden, denen der ehemalige Vizekanzler widerspricht.

Von Oliver Das Gupta

Die Führungsriege der Freiheitlichen Partei Österreichs ist seit vergangenem Wochenende besonders schlecht zu sprechen auf den ehemaligen Vorsitzenden Heinz-Christian Strache. Es mehren sich die Indizien, dass der Ausschluss des ohnehin als Mitglied suspendierten "HC" in naher Zukunft bevorsteht.

Oder, dass Strache von sich aus die FPÖ verlässt, seine eigene Partei gründet und zur Wien-Wahl 2020 antritt - was die FPÖ einige Prozentpunkte kosten dürfte. Doch einen unberechenbaren Ex-Parteichef zu halten, könnte sich aus Sicht der Freiheitlichen ebenso desaströs auswirken. Die Partei steht vor einem Strache-Dilemma.

Um die aktuelle Situation bei der von Strache vor Jahren radikal rechts verankerten und voll auf sich zentrierten Partei besser zu verstehen, lohnt ein Blick auf die vergangenen sechs Monate, die für Österreich allgemein und für die FPÖ im Besonderen politisch ziemlich aufregend waren.

Am 17. Mai machten Süddeutsche Zeitung und Spiegel publik, dass sich Strache 2017 gegenüber einer angeblichen russischen Oligarchennichte offen für dubiose Deals zeigte (hier zur Ibiza-Recherche). Im Gegenzug hoffte er, die Kontrolle über die einflussreiche Kronenzeitung zu erlangen. Doch die reiche Russin war nur ein Lockvogel, das Treffen wurde heimlich gefilmt, der Rest ist inzwischen österreichische Zeitgeschichte.

Während andere von Skandalen gerüttelte Politiker eher im Stillen ihre Wunden lecken, ist es bei Strache anders. Er trat zwar als FPÖ-Chef und Vizekanzler zurück. Doch an dessen überbordendem Mitteilungsdrang hat sich wenig geändert, seine Fähigkeit zur Selbstkritik ist, vorsichtig formuliert, ausbaufähig.

Er betreibt weiter Politik in Gestalt von Internet-Postings und Interviews, oft sind das nur Spekulationen und verschwörungstheoretisches Geraune. Strache macht das offenkundig in der Annahme, die Inhalte des Ibiza-Videos bagatellisieren zu können, um sich auf diese Weise zu rehabilitieren.

Damit ging er der neuen FPÖ-Parteiführung ziemlich auf den Geist, aber man ließ ihn erstmal machen (auch wenn manche FPÖler gleich nach Ibiza gehofft hatten, das üppige Gehalt als Europaabgeordneter würde Strache aus Wien weglocken und Gattin Philippa bereits die "Vorhänge in Brüssel aussuchen".)

Die neue FPÖ-Parteiführung hatte offenbar im Sinn, Strache als einfaches Parteimitglied zu halten, um die "HC"-affine Basis nicht zu verprellen, wollte ihn aber auf keinen Fall mehr in der hohen Politik mitmischen lassen: So hoffte man, eine Minimalchance auf eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition nach der Parlamentswahl zu wahren. Denn für den ehemaligen und künftigen Bundeskanzler Sebastian Kurz ist sein früherer Vize Strache nicht mehr tragbar. Ungeachtet dessen versuchte sich der gefallene Rechtsaußen-Popstar weiter lautstark an seiner Reinwaschung.

Straches "völliger Rückzug aus der Politik" währte nicht mal zwei Monate

So ging das den ganzen Sommer über. Dann endete der September mit einer weiteren Affäre: Dubiose Spesen-Abrechnungen wurden kolportiert und - mutmaßliche - üppige Apanagen für Strache und dessen Ehefrau Philippa. Bei der anschließenden Parlamentswahl schnitt die FPÖ ziemlich schlecht ab, was die neue Parteiführung - nicht zu Unrecht - in erster Linie Strache anlastete.

Darauf erklärte dieser seinen "völligen Rückzug aus der Politik und damit auch aus dem öffentlichen Leben", er wolle "jegliche politische Aktivität einstellen" und strebe "kein Amt und keine politische Funktion" mehr an. Daraufhin beließ es die Partei nur bei der Suspendierung seiner Mitgliedschaft bis zur Klärung der Spesenvorwürfe; Ehefrau Philippa Strache wurde ausgeschlossen. Das war Anfang Oktober.

Nun, knapp sieben Wochen später, sorgt Strache wieder für Schlagzeilen. So wurde das Gekungel um die Postenvergabe des teilstaatlichen Glücksspielkonzerns Casinos Austria AG unter der Mitwirkung des damaligen Vizekanzlers Strache publik. Und auch der angebliche Privatier machte plötzlich wieder Politik. Am vergangenen Samstag trat er bei einer Demonstration gegen das Rauchverbot auf. Strache nahm ein Bad in der Menge, posierte für Selfies und wetterte gegen die vom Parlament beschlossene Qualmregelung so alarmistisch, als ob der Abriss des Stephansdoms bevorstünde. Während der Veranstaltung wurde er auch nach einer möglichen Kandidatur bei der Wahl im Bundesland Wien 2020 gefragt: Strache wich aus, er sagte: "Da müssen Sie dann bei der Wien-Wahl schauen" und lachte.

Wenige Stunden später, nachts und im Laufe des Sonntags, schickte Strache seiner Partei via Facebook mehrere Offerten, die unter wichtigen Freiheitlichen eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Wut hervorriefen: Darin bot Strache seiner Partei seine Rückkehr als Wiener Landesparteichef an und die Wiederaufnahme seiner Ehefrau Philippa in die Partei, aus der sie vor wenigen Wochen ausgeschlossen worden war. Mit anderen Worten: Er empfahl sich seiner Partei als Feuerwehrmann, um die Brände zu löschen, die er selbst entfacht hatte.

Nicht nur der Inhalt, auch das Timing der von Strache versendeten Mitteilungen ist beachtlich, denn am Sonntag wählten die Steirer auch einen neuen Landtag. Für die FPÖ gab es die nächste heftige Wahlschlappe.

Wie Straches Vorschlag in der Partei aufgenommen wurde - nämlich als dreist, destruktiv und abgehoben - , lässt sich teils öffentlich nachlesen. "Jemand zerstört sein gesamtes Lebenswerk, reißt eine Partei, Mitarbeiter, ehrenamtliche Funktionäre mit", twitterte etwa der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger. "Die Partei strauchelt, fängt sich und beginnt mühsam wieder hochzukommen. Der Jemand liefert ständig Querschüsse und möchte nunmehr wieder die Partei übernehmen."

Ähnlich äußerte sich Christian Hafenecker, der FPÖ-Generalsekretär. "Ich würde ihm raten, in Selbstreflexion einzutauchen," sagte er mit Blick auf den ehemaligen Parteichef, einen Rauswurf aus der Partei wollte er nicht ausschließen.

FPÖ-intern vermuten manche, Strache sei inzwischen der Realität entrückt und beziehe seine Informationen vor allem aus teilweise ominösen Faceook-Kanälen. Eine Frage der mangelnden Bodenhaftung also.

Eine Umfrage bescheinigt einer möglichen Strache-Partei Potential

Ein freiheitlicher Kopf von Rang glaubt, dass es Straches Kalkül ist, seinen Rauswurf aus der FPÖ zu provozieren. So könnte er sich als Opfer darstellen und 2020 mit einer eigenen Partei bei der Wahl im Bundesland Wien antreten. Wenn es so kommen sollte, stünden seine Chancen nicht schlecht. Eine Umfrage hat jüngst ergeben, dass eine Liste der Eheleute Strache in Wien von knapp acht Prozent der Befragten gewählt werden würde.

Aber wäre - aus FPÖ-Sicht - ein Ende mit Schrecken nicht besser als ein Schrecken ohne Ende?

Straches Auftritt als Redner auf einer Raucherdemonstration am Samstag in Wien sei ein weit ernstzunehmenderes Signal für seine ventilierten Comeback-Ambitionen als seine Äußerungen auf Facebook. So sagt es ein FPÖ-Stratege, und dann zitiert er noch einen Ausspruch von Donald Trumps früherem Berater Steve Bannon: "You have to separate the signal from the noise - Sie müssen das Signal vom Lärm trennen."

Update: 29. November: Inzwischen sprachen auch Parteichef Norbert Hofer und der mächtige FPÖ-Fraktionschef Herbert Kickl von einer zeitnahen endgütigen Trennung von Strache, nurmehr der bürgenländische Freiheitlichen-Chef wollte mit einem solchen Schritt warten.

Die Entscheidung über den Parteiausschluss obliegt der Wiener FPÖ, einem Landesverband, den Strache über zwei Jahrzehnte auch personell deutlich geprägt hat. Eine Kommission, die über den Rauswurf befinden sollte, wollte bislang keinen Entschluss fassen und möchte Strache möglicherweise selbst als Zeugen hören.

Mittlerweile wurden neue Vorwürfe gegen Strache laut: Der Radiosender Ö1 berichtete, auf welche Weise Strache mit Hilfe enger Mitarbeiter angeblich unter anderem private Einkäufe, Nachhilfestunden für ein Kind aus erster Ehe und einen Einkauf bei der Nobelmarke Gucci auf Kosten der Partei abgerechnet haben soll. Strache widersprach den Vorwürfen und beteuerte, dass er sich korrekt verhalten und sich nicht auf Kosten der FPÖ bereichert habe.

Dieser Text ist zuerst am 25. November 2019 auf SZ.de erschienen und wurde am 28. November 2019 aktualisiert.

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