Stimmabgabe aus der Ferne:Briefwahl ohne Begründung ist verfassungsgemäß

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Immer mehr Bürger entscheiden sich für die Briefwahl (Foto: dpa)

Immer mehr Bundesbürger stimmen per Brief ab, Gründe müssen sie dafür nicht mehr nennen. Kritiker beklagen die mangelnde Fälschungssicherung. Doch die Verfassungsrichter in Karlsruhe entscheiden: Hauptsache ist, dass die Menschen ihre Stimme abgeben.

Die Möglichkeit der Briefwahl ohne Angabe von Gründen verstößt nicht gegen die Verfassung. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Europawahl 2009 zurück. "Die Grundsätze der freien und geheimen Wahl sowie der Öffentlichkeit der Wahl werden hierdurch nicht verletzt", entschieden die Verfassungswächter. Die Begründung dürfte sich auch auf die entsprechende Regelung bei Bundestagswahlen übertragen lassen.

Seit 2008 müssen Wähler bei Bundestags- und Europawahlen keine Gründe mehr angeben, wenn sie per Briefwahl abstimmen wollen. Dies sei gerechtfertigt durch das Ziel, "eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen", entschied das Gericht in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss (Az. 2 BvC 7/10).

Der Beschwerdeführer hatte kritisiert, das Wahlgeheimnis sei bei der Briefwahl nicht so gut gewährleistet wie bei der Abstimmung im Wahllokal. Stimmen könnten manipuliert oder vernichtet werden. Auch im häuslichen Bereich, in Altenheimen und ähnlichen Wohneinrichtungen könnte versucht werden, auf die Stimmabgabe einzuwirken. Zudem könnten Wahlberechtigte ihre noch nicht ausgefüllten Briefwahlunterlagen verschenken oder verkaufen.

Wahlbeteiligung als Zweck der Briefwahl

Die Richter wiesen die Beschwerde zurück. Zwar sei bei der Briefwahl die öffentliche Kontrolle schwächer. "Die Zulassung der Briefwahl dient aber dem Ziel, eine möglichst umfassende Wahlbeteiligung zu erreichen", argumentierten die Richter des Zweiten Senats unter dem Vorsitz von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Der Gesetzgeber habe "auf die zunehmende Mobilität in der heutigen Gesellschaft und eine verstärkte Hinwendung zu individueller Lebensgestaltung reagiert".

Außerdem sei bislang eine auch nur stichprobenartige Prüfung der angegebenen Gründe für eine Entscheidung für die Briefwahl nicht möglich gewesen; die Begründungspflicht habe sich nach Einschätzung des Gesetzgebers als "praktisch nutzlos" erwiesen.

Der Anteil der Briefwähler ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen: von 9,4 Prozent im Jahr 1990 auf 21,4 Prozent bei der letzten Bundestagswahl 2009. Im Jahr 1957 hatten nur 4,9 Prozent der Wähler per Brief abgestimmt. Nach alter Rechtslage bekam nur einen Briefwahlschein, wer sich am Wahltag aus wichtigem Grund außerhalb seines Wahlbezirks aufhielt, wer umgezogen war oder aus beruflichen oder körperlichen Gründen nicht ins Wahllokal gehen konnte.

© Süddeutsche.de/AFP/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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