Bürgermeister-Stichwahl in Nordrhein-Westfalen:Das sind die elf spannendsten Duelle in NRW

Bleibt Henriette Reker Oberbürgermeisterin in Köln? Verliert die SPD Dortmund? Gelingt den Grünen der Coup in Bonn und Aachen? Die interessantesten Zweikämpfe der Stichwahl in Nordrhein-Westfalen

Von Jana Stegemann und Christian Wernicke, Düsseldorf

Die Kandidaten der Stichwahlen im Überblick

1 / 12
(Foto: dpa)

Noch exakt 130 Rennen sind offen: Nach dem ersten Wahlgang am 13. September kommt es nun - per Stichwahl - in NRW zum Duell um 15 Oberbürgermeister- und Oberbürgermeisterinnen-Sessel in Großstädten, um elf Landratsämter und um exakt 104 Amtsketten als Bürgermeister einer kreisangehörigen Kommune. Dabei wiegen lokale Eigenheiten oft schwerer als der durchschnittliche Landestrend der Parteien. Zu Erinnerung: Vor zwei Wochen konnten die Grünen sich als Sieger feiern, die mit 20 Prozent ihr Ergebnis vor sechs Jahren fast verdoppelten. Die SPD verlor erneut, mit 7,1 Punkten minus und noch 24,3 Prozent blieben die Sozialdemokraten aber immerhin zweitstärkste Kraft im bevölkerungsreichsten Bundesland. Ministerpräsident Armin Laschet reklamierte den Wahlsieg für seine CDU mit 34,3 Prozent - aber das war (mit minus 3,2 Punkten) für den Rheinländer mit Berliner Ambitionen zugleich das schlechteste Ergebnis der Christdemokraten bei einer Kommunalwahl seit der Gründung des Bindestrich-Landes vor 74 Jahren. Nun also das Endspiel. Wir stellen die Duellanten der spannendsten Zweikämpfe des Sonntags vor.

Bonn

2 / 12
(Foto: dpa)

Erst bei der letzten Kommunalwahl hatte CDU-Politiker Ashok-Alexander Sridharan (rechts) das rote Bonn nach 21 Jahren durchgängiger SPD-Regentschaft geknackt. Einen wie ihn gab es zuvor noch nie in einer deutschen Großstadt: einen Oberbürgermeister mit Migrationshintergrund. Der Sohn eines indischen Diplomaten und einer Bonnerin gab damals im Wahlkampf als Ziel an, "dass Bonn 2025 wieder den internationalen Bekannheitsgrad hat, den es zu Hauptstadtzeiten hatte". Nun muss der 55-jährige Jurist nach einer Amtszeit aber direkt in die Stichwahl - gegen die Grüne Katja Dörner. Die 44-jährige will nach zehn Jahren im Bundestag - zuletzt als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen - von der Spree an den Rhein wechseln, dort wo sie studiert hat. Sridharan liegt zwar mit 34,5 Prozent der Stimmen vor seiner Gegenkandidatin mit knapp 28 Prozent, doch Dörner wird zusätzlich von der Linken und der SPD unterstützt; und im Bonner Stadtrat sind die Grünen jetzt erstmals zur stärksten Kraft geworden. Eines ihrer Ziele als Oberbürgermeisterin: Bis 2025 soll die Bonner Innenstadt autofrei werden.

Minden-Lübbecke

3 / 12
(Foto: CDU/SPD)

Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gibt es mit Eva Irrgang in Soest nur eine Landrätin. Das soll sich am Sonntag ändern: Die 40-jährige Anna Bölling (links) tritt an, um Landrätin in Minden-Lübbecke zu werden. Die CDU-Kandidatin Bölling ist die Favoritin bei der Stichwahl. Sie lebt in Minden und arbeitet als Sozialdezernentin im niedersächsischen Landkreis Uelzen; ihre Zwillinge sind ein halbes Jahr alt. Bölling gilt als großes Talent und ist das, was ihre Partei so dringend sucht: eine junge Frau mit Führungsqualitäten. Der 46-jährige Sozialdemokrat Ingo Ellerkamp hat als Baudezernent der Stadt Minden genügend Verwaltungserfahrung. Am Sonntag wird es auch in Minden darauf ankommen, wer die meisten der Grünen-Wähler aus dem ersten Wahlgang mobilisieren kann, denn der grüne Oberbürgermeisterkandidat kam auf knapp 16 Prozent.

Mönchengladbach

4 / 12
(Foto: SPD/Michael Englert)

Felix Heinrichs (links) hat etwas geschafft, was es bei den Sozialdemokraten gerade recht selten gibt: Er hat eine Wahl gewonnen. In der ersten Runde der Kommunalwahlen vor zwei Wochen holte er in Mönchengladbach den ersten Platz mit 37,5 Prozent. Nun geht er als Favorit in die Stichwahl gegen CDU-Mann Frank Boss. Der 59-Jährige ist seit 2017 Landtagsabgeordneter und gilt als bestens vernetzt in Mönchengladbach. Als Boss das erste Mal in den Stadtrat gewählt wurde, war Heinrichs noch nicht mal in der Grundschule. Mit 31 Jahren könnte Heinrichs nun also Oberbürgermeister der 270 000 Einwohnerinnen und Einwohner von Mönchengladbach werden (hier ein ausführliches Porträt von ihm). Seit 2014 führt er die Fraktion im Stadtrat an, seit Jahren ist er als Geschäftsführer eines Altenheims gemeinsam mit seiner Mutter tätig. Boss hat nach einer Lehre als Kfz-Mechaniker als EDV-Administrator bei den örtlichen Stadtwerken gearbeitet und ist derzeit Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landschaftsverband Rheinland (LVR).

Aachen

5 / 12
(Foto: CDU/dpa)

Für Aachen ist dies die erste OB-Stichwahl. Alle vorhergehenden Amtsinhaber kamen bisher in einem Wahlgang ins Ziel. In Armin Laschets Heimatstadt treten die Grüne Sibylle Keupen (rechts) und der CDU-Politiker Harald Baal gegeneinander an. Die 56-jährige Keupen ist Diplom-Pädagogin und leitet seit 25 Jahren eine Aachener Bildungseinrichtung, sie gründete in den Achtziger Jahren den Grünen-Ortsverband in Aachen mit. Harald Baal beruft sich auf seine langjährige politische Erfahrung, es sprach sich aber sogar ein CDU-Mitglied öffentlich gegen ihn aus. Keupen hingegen kann gleich auf bundespolitische Unterstützung zählen: Wenige Tage vor der Wahl kam die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock erneut persönlich nach Aachen. Ein Zeichen dafür, wie wichtig diese Stichwahl in Aachen für die Grünen ist.

Erftstadt

6 / 12
(Foto: CDU/SPD)

Nach 51 Jahren passiert es: Erftstadt mit seinen 50 000 Einwohnerinnen und Einwohnern bekommt an diesem Sonntag zum ersten Mal eine Bürgermeisterin. Gleich fünf Frauen hatten sich um das höchste Amt der rheinischen Stadt bei Köln beworben. So etwas gab es in Deutschland noch nie. In die Stichwahl gehen die studierte Verwaltungsexpertin und CDU-Politikerin Carolin Weitzel (links), die seit zwei Jahren als Gleichstellungsbeauftragte in Erftstadt und als Standesbeamtin arbeitet, und Monika Hallstein. Die 52-Jährige wurde ohne Parteibuch von der SPD nominiert, sie arbeitet seit 2014 für Erftstadt, lebt aber in Bonn. Zuvor war sie unter anderem in Köln in leitender Funktion beim Bauaufsichtsamt tätig. Die 40-jährige Weitzel hatte im SZ-Interview über die besondere Konstellation in Erftstadt gesagt: "Wir Frauen dürfen nicht nur vom Rand zugucken."

Münster

7 / 12
(Foto: Grüne/dpa)

Seit elf Jahren ist Markus Lewe (rechts) Oberbürgermeister von Münster. In der Stadt des Westfälischen Friedens wird der 55-jährige CDU-Mann nun vom Grünen Peter Todeskino herausgefordert. Spötter sagten nach dem ersten Wahlgang: Das wäre Lewe nicht passiert, wenn er überhaupt Wahlkampf gemacht hätte. Zu sicher sei er sich seiner Wiederwahl im Radfahrerparadies Münster gewesen. Sein Konkurrent Todeskino hat reichlich Erfahrung in der Kommunalpolitik, der Jurist und gebürtige Oldenburger war zwölf Jahre lang Bürgermeister von Kiel. Doch in den Ruhestand will sich der 61-jährige Todeskino noch lange nicht verabschieden. In der westfälischen Studenten - und Beamtenstadt Münster hat Todeskino übrigens in den Achtziger Jahren Jura studiert.

Düsseldorf

8 / 12
(Foto: dpa/CDU)

Stephan Keller (rechts) könnte am Sonntag Armin Laschets Wunsch erfüllen: dass Düsseldorf wieder von einem CDU-Mann regiert wird. Als einzige deutsche Landeshauptstadt. Amtsinhaber Thomas Geisel scheuchte zuletzt mit Plänen für ein Großkonzert in Corona-Zeiten sogar die Bundespolitik auf. Der 50-jährige Keller liegt nach dem ersten Wahlgang vor dem 56 Jahre alten SPD-Mann Geisel, der auf einigen Wahlplakaten vorsorglich seine Partei ganz wegließ. Der gebürtige Schwabe Geisel gilt als Verfechter der in Düsseldorf verhassten Umweltspuren, Keller als Gegner. Vor seinem Oberbürgermeisteramt arbeitete der Wirtschaftswissenschaflter und Jurist Geisel als Manager in der Energiebranche, er geriert sich gerne als hemdsärmeliger Macher. CDU-Kandidat Keller ist ein erfahrener Verwaltungsmann, er gilt als seriös, aber blass. Von 2011 bis 2016 war er Dezernent für Recht, Ordnung und Verkehr in Düsseldorf. Derzeit ist der Volljurist Stadtdirektor in Köln, wo er sich als oberster Corona-Krisenmanager einen Namen gemacht hat. Unter Geisel wurden so viele Immobilienprojekte umgesetzt wie schon lange nicht mehr, doch die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist so angespannt wie noch nie. Auch dass die Landeshauptstadt täglich in ihrem Verkehrschaos erstickt und es wohl nirgends in Deutschland gefährlicher für Radfahrer ist als in Düsseldorf, müsste der nächste Oberbürgermeister dringend angehen.

Hamm

9 / 12
(Foto: dpa)

Thomas Hunsteger-Petermann (links) ist einer der dienstältesten Oberbürgermeister der Republik - weshalb etliche Bürger von Hamm nach 21 Amtsjahren seiner überdrüssig sind. Nur so lässt sich erklären, dass es der 67-jährige CDU-Mann im ersten Wahlgang vor zwei Wochen mit 37,4 Prozent nur auf Platz zwei schaffte, drei Punkte hinter seinem SPD-Herausforderer Marc Herter, 46. Der Sozialdemokrat, der sich noch 2018 Hoffnungen auf Höheres als SPD-Oppositionsführer im NRW-Landtag gemacht hatte, kämpft um Hamm mit betont bodenständigen Themen: Schnellere Radrouten in Zentrum, halbierte Kita-Gebühren, Neubelebung der Innenstadt. Damit kontert Herter die "Visionen" von Hunsteiger-Petermann auf CDU-Plakaten, die mancher Westfale als großmäulig empfand: "Sicherer als Bullerbü", "innovativer als Silicon Valley" und "gesünder als in der Schwarzwald-Klinik" solle es bald zugehen in Hamm. Diese Woche holte das Virus den CDU-OB zurück ins Hier und Jetzt: Weil die Corona-Neuinfektionen in seiner Stadt hochschnellten wie nirgendwo sonst in NRW, verhängte Hunsteger-Petermann erneut eine Maskenpflicht in allen Schulen.

Köln

10 / 12
(Foto: dpa)

Niemand hatte ihm eine Chance eingeräumt - aber jetzt will er sie nutzen: "Es ist noch nichts entschieden, alles steht wieder auf Null", wiederholte der SPD-Kandidat Andreas Kossiski (links) in den Tagen vor der Stichwahl wieder und wieder. Der 62-jährige Sozialdemokrat, der im ersten Wahlgang mit 26, 8 Prozent weit hinter Amtsinhaberin Henriette Reker (45,1 %) landete, wirbt als früherer Polizist für mehr Sauberkeit und Sicherheit auf den Straßen, für mehr sozialen Wohnungsbau - und "gegen den Stillstand." Vorwürfe, sie habe seit 2015 zu wenig bewegt in der Domstadt, weist Reker, 63, zurück mit Verweis auf eine Verwaltungsreform gegen den "kölschen Klüngel" und Plänen für eine Verkehrswende mit mehr Radwegen und weniger Autos in der Innenstadt. Reker will "grün-schwarz" weiterregieren, mit einem Bündnis aus Grünen und CDU. Dass sie nicht schon im ersten Wahlgang gewann, offenbarte ein Problem: Vielen schwarzen Wählern ist Reker zu grün, und vielen Grünen ist sie nicht grün genug.

Dortmund

11 / 12
(Foto: dpa/Blumeibu-CC-by-sa-4.0)

Thomas Westphal (rechts) verteidigt etwas, was scheinbar ewig währt: 74 Jahre SPD-Herrschaft in Dortmund (mehr darüber lesen Sie hier). Der frühere Bundesvorsitzende der Jusos ("Stamokap") tritt selbstbewusst auf, seit 1996 lebt der gebürtige Norddeutsche im "Ruhrpott." Als bisheriger Chef der städtischen Wirtschaftsförderung wirbt der 53-Jährige mit seiner Erfahrung beim Strukturwandel - und damit, dass sein Konkurrent Andreas Hollstein, 57, eine Nummer zu klein sei für die westfälische Metropole mit 600 000 Bürgern: Das Amt des Oberbürgermeisters, so Westphal, sei schließlich "keine Auszubildenden-Stelle" für einen, der als langjähriger Bürgermeister aus dem sauerländischen Altena (17 000 Einwohner) zugereist sei. Der CDU-Kandidat Hollstein (hier geht es zu einem Porträt), der sich als engagierter Integrationspolitiker profilierte und deshalb 2017 Opfer einer Messerattacke wurde, kam im ersten Wahlgang auf zehn Prozentpunkte weniger als Westphal. In der Stichwahl wirbt Hollstein um die Stimmen grüner Wähler, um als Schwarzgrüner die Roten zu schlagen.

Wuppertal

12 / 12
(Foto: dpa)

Die NRW-Grünen wollen ihre landesweiten Wahlerfolge aus dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen krönen - und am Sonntag mit Wuppertal die Heimatstadt von SPD-Ikone Johannes Rau erobern. Die Chance dazu eröffnet ihnen der renommierte Ökonom Uwe Schneidewind (rechts), der als Grüner auch von der CDU unterstützt wird. Der 54-jährige Schneidewind denkt groß, will die hochverschuldete Stadt zu einer Investitionsoffensive antreiben und aus Wuppertal eine Art "Leipzig des Westens" machen. Von kaputt zu hip also. Der frühere Chef des "Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie" verspricht eine "Mobilitätswende," die Bürger sollen ihre hügeligen Straßen per Pedelec bewältigen. Im ersten Durchgang lag der Visionär mit 40,8 Prozent knapp vor dem bodenständigen Amtsinhaber Andreas Mucke (37,0). Der Sozialdemokrat, dem die CDU vor zwei Jahren die lokale Groko aufkündigte, wirbt damit, in seiner fünfjährigen Amtszeit 10.000 Jobs geschaffen zu haben - bis Corona kam. Nochmals 10 000 neue Arbeitsplätze will der 54-jährige Mucke bis 2025 ins Tal locken. Einig sind sich beide Kandidaten, dass ihre Stadt eine Image-Kampagne brauche - bisher verkaufe man sich unter Wert.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: