Süddeutsche Zeitung

Stichwahl in Tschechien:Milos Zeman zum Präsidenten Tschechiens gewählt

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Der frühere Regierungschef Milos Zeman ist neuer Präsident in Tschechien. In der Stichwahl schlägt er seinen Rivalen Karel Schwarzenberg, der als Außenminister der unbeliebten Regierung politisch unter Druck stand. Auch seine Äußerungen über die Vertreibung der Sudetendeutschen hatten ihm viel Kritik eingebracht.

Von Klaus Brill, Prag

Bei der Präsidentenwahl in Tschechien hat der Linkspopulist und frühere sozialdemokratische Ministerpräsident Milos Zeman seinen konservativen Rivalen, den Außenminister Karel Schwarzenberg, klar geschlagen. Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge erhält Zeman 54,8, sein Konkurrent Karel Schwarzenberg 45,2 Prozent der Stimmen.

In einer ersten Stellungnahme bewertete Zeman seinen Erfolg als durchschlagend. Er sagte, er wolle die Stimme aller Bürger sein. "Ich will der Präsident der unteren zehn Millionen sein, unter denen Zeman-Wähler ebenso sind wie Schwarzenberg-Wähler", sagte er. Er wolle nicht der Präsident "der Mafia-Paten" sein, die dem Staat das Blut aussaugten. Tschechien hat etwa 10,5 Millionen Einwohner.

Schwarzenberg erkannte den Sieg Zemans an und sagte, es liege ein klarer Unterschied im Stimmenergebnis von zehn Prozent vor. Bei der nächsten Präsidentenwahl in fünf Jahren werde er nicht wieder kandidieren, dann solle eine neue Generation über die Zukunft entscheiden.

Vaclav Klaus ist "stolz auf die tschechische Nation"

Der scheidende Staatspräsident Vaclav Klaus, der sich im Wahlkampf massiv für Zeman und gegen Schwarzenberg eingesetzt hatte, erklärte, er sei "stolz auf die tschechische Nation". Sie habe sich "von einer unglaublichen medialen Gegenkampagne nicht beirren lassen". In Anspielung auf einen berühmten Ausspruch seines Vorgängers und Gegenspielers Vaclav Havel fügte Klaus hinzu: "Jetzt haben endlich die Wahrheit und die Liebe über die Lüge und den Hass gesiegt." Zeman wird am 8. März die Nachfolge von Klaus antreten.

Schwarzenberg stand als Außenminister unter Druck

Die beiden hatten den Außenminister vor allem in der vergangenen Woche massiv angegriffen, nachdem er die Vertreibung der rund drei Millionen Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus der damaligen Tschechoslowakei als Thema aufgegriffen und als Unrecht bezeichnet hatte. Sie warfen ihm vor, er spreche wie ein Sudetendeutscher und nicht wie ein tschechischer Präsident.

Schwarzenberg stand ferner politisch unter Druck als Angehöriger der konservativ-liberalen Dreierkoalition des Ministerpräsidenten Petr Necas. Die Regierung ist wegen einschneidender Sparmaßnahmen und verschiedener Skandale derzeit in der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Allerdings konnte der 75-jährige Fürst, der das Oberhaupt einer der traditionsreichsten altböhmischen Adelsfamilien ist, diese Fragen zeitweise durch sein persönliches Auftreten überdecken.

In der letzten Wahlkampf-Phase hatten seine Gegner ihn jedoch gerade auch persönlich angegriffen und seine Zeit im Exil in Österreich während des Kommunismus ebenso thematisiert wie die Tatsache, dass seine Frau als Österreicherin kein Tschechisch spreche.

Der mutmaßliche Wahlsieger Zeman war von Schwarzenbergs Anhängern in mehreren Punkten der Lüge und generell einer schmutzigen Wahlkampfführung beschuldigt worden. Er hat vor allem auf dem Land und in der älteren Generation viele Anhänger, während Schwarzenberg die eher gut ausgebildeten und jüngeren Bewohner der urbanen Gebiete hinter sich hat.

Zeman gab sich in einer Serie von Fernsehduellen mit seinem Rivalen als witzig und volksnah, er ist auch als sinnenfroh und trinkfest bekannt und fällt immer wieder durch grobe Bemerkungen auf.

Der gelernte Ökonom hatte sich nach dem Zusammenbruch des Kommunismus 1989 in der damals gegründeten Bürgerbewegung engagiert und war 1992 in die Sozialdemokratische Partei (CSSD) eingetreten, die in Tschechien nicht aus der Kommunistischen Partei hervorgegangen ist, sondern an eine Vorkriegstradition anknüpft. Schon ein Jahr später übernahm er den Vorsitz und führte die Partei danach zu beachtlichen Wahlerfolgen. Zeman wurde 1996 Parlamentspräsident, 1998 gewann er die Wahl und führte vier Jahre lang eine Minderheitsregierung.

Zemans Mitstreiter haben Kontakte zum Ölkonzern Lukoil

Sie ging in die Geschichte ein durch einen so genannten Oppositionsvertrag mit der vom heutigen Präsidenten Václav Klaus geführten Demokratischen Bürgerpartei (ODS). Die Konkurrenten verständigten sich auf die Verteilung von Posten und Geldern, als Preis dafür, dass die ODS das Zeman-Kabinett aus der Opposition heraus tolerierte. Heute gilt die Sache als schwerer Sündenfall, und Zeman blieb aus jener Zeit auch in Erinnerung als Grobian, der unter anderem die Sudetendeutschen als "fünfte Kolonne Hitlers" attackierte. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte deshalb einen Besuch in Prag ab.

Der Sozialdemokratischen Partei kehrte Zeman nach turbulenten Streitigkeiten 2007 den Rücken. Inzwischen führt er eine eigene linkspopulistische Gruppierung mit dem Namen Partei der Bürgerrechte, die nach Prager Presseberichten von russischen Geschäftsleuten unterstützt wird.

Einige von Zemans engsten Mitstreitern sollen beste Kontakte zum Mineralölkonzern Lukoil haben, ähnlich wie der Konservative Václav Klaus, der erstaunlicherweise die Kandidatur Zemans offen und massiv unterstützte. Beide bekundeten öffentlich Sympathie füreinander, obwohl Klaus bekannt ist als prominenter Neoliberaler und Zeman sich als Linken bezeichnet, der "einen Sozialstaat nach skandinavischem Vorbild" anstrebt.

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