Nach der Wahl ist vor der Wahl: Keiner der zehn Frankfurter Oberbürgermeisterkandidaten erreichte am vergangenen Sonntag im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die Bürger der Stadt werden bei der Stichwahl am 25. März erneut darüber abstimmen müssen, wer in den Römer einzieht. Und ohne die Stimmen der Grünen wird wohl weder der amtierende hessische Innenminister Boris Rhein von der CDU noch der SPD-Sozialpolitiker Peter Feldmann die Wahl für sich entscheiden können. Die Grünen-Anhänger werden in Frankfurt zum Zünglein an der Waage.
Rhein war als Favorit in das Rennen gegangen und hatte am 11. März mit 39,1 Prozent auch am besten abgeschnitten, die absolute Mehrheit aber ebenso verfehlt wie sein Hauptkonkurrent Feldmann, der 33 Prozent erreichte.
Rosemarie Heilig, die Bewerberin der Grünen, schied beim ersten Urnengang aus. Bekam aber immerhin 14 Prozent der Stimmen. Und um diese 14 Prozent müssen Rhein und Feldmann in den nächsten Wochen kämpfen.
Eine Wahlempfehlung für die Stichwahl wollte Heilig nicht abgeben. Die Grünen-Wähler seien schlau genug, um selbst eine Entscheidung zu treffen, sagte sie.
Feldmann hatte bereits einen Tag nach der Wahl den Versuch gestartet, grüne Wähler abzugreifen. Er sei der naheliegende Adressat für deren Stimmen in der Stichwahl - schließlich sei er für ein erweitertes Nachtflugverbot am Frankfurter Flughafen eingetreten und habe sich für die ökologische Erneuerung der Stadt engagiert.
Auf SZ-Anfrage teilte der 53-Jährige mit, dass er seinen Aufruf aber nicht als Appell an "die Grüne Partei oder ihre Funktionsträger" verstanden wissen wolle. Jede Partei müsse selbst entscheiden, "was sie mit Blick auf die Stichwahl am 25. März will." Die Stimmen der Grünen-Wähler kann Feldmann, der bei der Oberbürgermeisterwahl sechs Prozentpunkte hinter Rhein lag, aber dennoch gut gebrauchen.
Deshalb betont der Parteilinke auf SZ-Anfrage typisch grüne Themen: "Die Wählerinnen und Wähler entscheiden am 25. März nicht nur über eine Person. Sie entscheiden zwischen einem sozialen, ökologischen, weltoffenen Frankfurt mit mir als Oberbürgermeister - oder einem rechtskonservativen Boris Rhein."
CDU-Mann Rhein kämpft in den nächsten zwei Wochen um den Fortbestand der schwarz-grünen Koalition. Seit 2006 regiert in der Bankenmetropole auf kommunaler Ebene ein solches Bündnis. Bürgermeisterin Petra Roth, CDU, hatte allerdings im November überraschend angekündigt, ein Jahr vor Ende der regulären Amtszeit zurückzutreten.
Rhein hofft jetzt, dass die Wähler die Arbeit von Schwarz-Grün honorieren - und deshalb der eher seltene Fall eintritt, dass er als CDU-Mann grüne Stimmen bekommt. "Die grünen Wähler wissen, dass die in der schwarz-grünen Koalition vereinbarten ökologischen Themen und Ziele mit mir als Oberbürgermeister weiter vorangetrieben und umgesetzt werden und dass eine schwarz-grüne Koalition mit mir als Oberbürgermeister auch weiterhin für grüne Inhalte der Stadtpolitik steht", sagte der 40-Jährige zur SZ. Rhein macht keinen Hehl daraus, die Grünen-Anhänger zu umwerben.
Grüne dringen auf ein klares Signal
Und die Umworbenen? Die können sich nicht entscheiden. Die Grünen zeigen sich uneinig: So sagte der ehemalige Frankfurter Stadtrat Daniel Cohn-Bendit, der mittlerweile für die Grünen im Europaparlament sitzt, der SPD und Feldmann seine Unterstützung zu: "Boris Rhein kommt überhaupt nicht in Frage."
Grüne Kommunalpolitiker hingegen kündigten unmittelbar nach der Oberbürgermeisterwahl an, für den CDU-Mann votieren zu wollen: Olaf Cunitz zum Beispiel, der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen, will für Rhein stimmen.
Und auch die Grünen-Bildungsdezernentin Sarah Sorge, die am Donnerstag neu in den Magistrat einzieht, erklärte noch am Wahlabend: "Ich wähle Boris Rhein." Sie und andere Grüne dringen aber auch auf ein klares Signal Rheins an die Wähler der Partei. Er müsse deutlich machen, dass er ein liberaler Oberbürgermeister in der Tradition Roths sein werde.
Mit Material von dpa