Süddeutsche Zeitung

Steve Bannon:Der Mann, der Trump den Weg zum Sieg freischoss

  • Steve Bannon betreibt die politische Seite Breitbart, auf der er rechtsextremen Autoren eine Meinungsplattform gibt.
  • Der künftige US-Präsident Donald Trump hat ihn zu seinem Chefstrategen ins Weiße Haus berufen.
  • Schon lange vor dem US-Wahlkampf wetterte Bannon gegen die Elite in Washington und an der Wall Street. Nun setzt er den Fuß nach Europa.

Von Hubert Wetzel, Washington

Der Honigdachs ist ein schreckliches Tier. Mellivora capensis ist aggressiv und hat vor nichts Angst. "Raublust und Blutdurst" seien zwei herausragende Charaktereigenschaften, heiß es in "Brehms Tierleben" über die Marderart. Wenn ein Honigdachs angreift, dann beißt er wild und besessen zu. Ein Honigdachs ist vollkommen furchtlos, er lässt nicht ab, und er gibt nicht auf. Nie.

Steve Bannon ist ein gebildeter Mensch. Man kann daher annehmen, dass er den Honigdachs nicht des süß klingenden Namens wegen als Wappentier ausgewählt hat. "Honey Badgers don't give a shit", lautet Bannons Motto, übersetzt etwa: Honigdachsen ist alles wurscht, solange sie nur ihre Beute erledigen.

Nach diesem Leitsatz hat der 63-Jährige die Internetseite Breitbart geführt und zur Stimme der harten Rechten in Amerika gemacht. Nach diesem Leitsatz hat er für Donald Trump den Wahlkampf organisiert. Und nach diesem Leitsatz will er künftig Politik machen. Von Januar an wird Bannon den Titel "Senior Counselor to the President" tragen und Trump als Chefstratege beraten. Er wird ein Büro im Weißen Haus bekommen, nur ein paar Schritte vom Oval Office entfernt, und ein Jahresgehalt von 172 200 Dollar brutto. Kaum jemand bezweifelt, dass Bannon ein sehr mächtiger Mann in Trumps Regierung sein wird.

Marineoffizier, Investmentbanker, Filmproduzent

Eigentlich macht Steve Bannon einen harmlosen Eindruck. Er sieht immer etwas zerknautscht aus, so als hätte er in seinen Kleidern geschlafen und am Morgen keine Zeit fürs Rasieren und Kämmen gehabt. Als junger Mann war er Marineoffizier auf einem Zerstörer und hätte in diesem Aufzug wohl kaum seinem Kapitän unter die Augen kommen dürfen. Danach aber hat Bannon in Harvard Betriebswirtschaft studiert, er hat als Investmentbanker für Goldman Sachs gearbeitet, mit Geschäften in der Medienbranche einige Millionen verdient und in Hollywood Filme produziert. Heute ist er ein reicher älterer Mann, der es sich leisten kann, den Tag in Shorts und Badelatschen zu verbringen. Er spricht leise und konzentriert und kann die Bibel zitieren, William Shakespeare und Plutarch.

Für seine Kritiker ist Bannon allerdings nicht mehr als ein Rassist, ein Antisemit und Sexist, einer der übelsten rechtsextremen Propagandisten und Populisten des Landes. Als Betreiber von Breitbart hat er im Wahlkampf gegen alles gehetzt, was ihm irgendwie links oder unamerikanisch oder anderweitig verdächtig vorkam: gegen angeblich frigide Feministinnen und terroristische Muslime, gegen kriminelle Einwanderer und verlogene Medien, gegen "die Eliten" und "das Establishment" in Washington, egal ob Republikaner oder Demokraten; und natürlich mit aller Härte und Häme gegen Hillary Clinton - krank, korrupt und kriminell sei die Demokratin, so hämmerte es Breitbart seinen Lesern ein.

Die Neonazi-Szene war von Trumps Personalauswahl begeistert

Ehemalige Mitarbeiter von Breitbart beschreiben Bannon als ruppigen, fluchenden Chef; seine Ex-Frau hat ihn einmal wegen Gewalttätigkeit angezeigt. Frühere Präsidentenberater, so könnte man wohl sagen, waren - anders.

Begeistert war von der Personalauswahl nur Amerikas Neonazi-Szene. Bannon sei ein "exzellenter" Mann, ließ der ehemalige Ku-Klux-Klan-Funktionär David Duke wissen. Auch andere Größen aus dem rechtsradikalen Lager gratulierten erfreut. Tenor der Grußbotschaften: Auf einem der einflussreichsten Regierungsposten sitzt endlich einer, der so denkt wie sie.

Dass Bannon tatsächlich Schwarze oder Juden hasst, lässt sich nicht belegen. Allerdings schreiben auf Breitbart immer wieder Leute, die der "alternativen Rechten" angehören - ein etwas verquaster Begriff für Amerikas Rechtsextreme. Und Bannon hat diese Leute ohne Skrupel schreiben lassen, weil sie provoziert und Aufmerksamkeit gebracht haben. Was immer Bannon selbst für Ansichten hat - bei der Wahl seiner Verbündeten ist er nicht zimperlich. "Das wächst sich schon noch raus", sagt er.

Tief drinnen aber treibt wohl etwas anderes als Rassenhass Steve Bannon an. "Der Rassismus und Antisemitismus - das ist nur Theater am Rand", sagt ein Demokrat, der Washington gut kennt. "In Wahrheit ist Bannon ein Revolutionär."

Man kann das noch etwas präzisieren: Bannon ist ein sozialer, nationalistischer Revolutionär. Er will die amerikanische Arbeiter- und Mittelklasse befreien, die - so sieht er es - von gierigen Bankern, rücksichtslosen Konzernbossen und korrupten Politikern, die alle miteinander verbandelt sind, geschunden, ausgebeutet und verraten wird. Die Hautfarbe, so sagt Bannon, sei ihm egal. Er wolle dem kleinen schwarzen Mann oder dem Latino genauso helfen wie dem kleinen weißen Mann.

Bannon wetterte schon Jahre vor Trump gegen Washington und die Wall Street

Schon Jahre bevor es den Präsidentschaftskandidaten Trump gab, gab es den Agitator Bannon, der an drei Abenden in der Woche vor kleinen Grüppchen Gleichgesinnter den Aufstand gegen die Mächtigen in Washington und an der Wall Street predigte.

So beklagt Bannon seit Langem, dass keiner der Bankmanager, die für die Finanzkrise verantwortlich waren, zur Rechenschaft gezogen worden sei; oder dass der Finanzkapitalismus Profite für ein paar Reiche erwirtschafte, aber keine Arbeitsplätze für die Mittelklasse schaffe. "Wir haben einen Wohlfahrtsstaat für die Armen und einen Wohlfahrtsstaat für die Reichen", lautet einer seiner typischen Sätze. "Dazwischen haben wir eine Mittelklasse, die einem brutalen Kapitalismus ausgesetzt ist und für ihre eigene Zerstörung bezahlt."

Mit solchen Ansichten steht Bannon dem linken Lager näher als dem klassisch-republikanischen. Wie wetterte vor einigen Tagen auch die Sozialistin Sahra Wagenknecht im Bundestag? "Konzerne und Superreiche" würden von den Politikern gepäppelt, "der einfache Bürger kämpft um das Überleben."

Natürlich weiß Bannon, dass das wahre Leben nicht so simpel ist. Für den Praxisgebrauch hat der Revolutionär daher ein Weltbild, das hinreichend vage ist, um damit jede beliebige populistische Politik zu machen: Es gibt die Guten - das sind die "kleinen Leute", die "anständig" sind und "hart arbeiten". Und es gibt die Bösen - das sind alle anderen, die Steve Bannon gerade nicht zu den Guten zählen will, je nach Publikum oder Laune.

Was Bannon bisher gefehlt hatte, war ein Vehikel, um seine Ideen zu Politik zu machen. Es muss für ihn daher wie ein Geschenk Gottes gewesen sein, als 2015 der rabiate Populist Trump seine Kandidatur anmeldete. Bis dahin waren die Republikaner eine Partei, der das Schicksal der Arbeiter im verrotteten Rostgürtel eher egal gewesen war; zumindest war deren Rettung nichts, wofür sie eine größere Menge Geld hätten ausgeben wollen.

Trumps Tiraden passten genau zu Bannons Vorstellungen

Bei Trump klang das anders. Er schimpfte gegen den Freihandel, die Finanzhaie, die "Globalisten" und gegen alle Politiker sowieso. Er kündigte an, Staatsgeld für die Renovierung der US-Infrastruktur auszugeben, um so Arbeitsplätze zu schaffen - eine Idee, die traditionellen Republikanern, die auf die Verschuldung achten, ein Graus ist. Außerdem versprach Trump, als Präsident Firmen davon abzuhalten, Jobs ins Ausland zu verlagern. All das passte genau zu Bannons Vorstellungen. Es war Bannon, der sich Trump ausgesucht hat, nicht umgekehrt. Dass Trump sein Leben lang zum reichen Establishment gehört hat, dass er bei Bauprojekten viele Handwerker und Arbeiter um ihren Lohn betrogen hat, spielte eine untergeordnete Rolle. Trump, davon war Bannon überzeugt, würde gewinnen.

Und Bannon hatte ein schweres Geschütz, um Trump den Weg zum Sieg freizuschießen - Breitbart. Im Vorwahlkampf kartätschte Bannon die anderen republikanischen Kandidaten mit seiner Website gnadenlos nieder. Je kruder, aggressiver und populistischer Trump auftrat, desto lauter applaudierten Bannon und Breitbart. "Wir nennen uns Kampfverein", hat Bannon einmal über das Selbstbild der Redaktion gesagt. "Und unser Kampf wird hart, lang und dreckig sein."

Im August, als es schlecht lief, machte Trump Bannon zum Vorsitzenden seiner Wahlkampagne. Nach dem Sieg im November, den der Republikaner genau jener weißen Arbeiterschicht verdankt, auf die Breitbarts Propaganda zielte, beförderte er ihn dann zu seinem künftigen Chefstrategen. Die New York Times nannte das ein "beunruhigendes Zeichen". Bannon werde "den Hass aufdrehen", befürchtete die Zeitung - auf Schwarze, Latinos, Schwule, auf jeden, der nicht laut über Trump jubelt.

Allerdings ist das wohl nur die eine Seite. Wenn Trump jetzt twittert, dass Amerikanern, die aus Protest die US-Flagge verbrennen, die Staatsbürgerschaft entzogen oder eine Haftstrafe aufgebrummt werden sollte, dann ist das Bannon pur. Das gleiche aber gilt für Trumps Verhandlungen mit dem Klimaanlagen-Hersteller Carrier, um Arbeitsplätze in Indiana zu retten, die nach Mexiko verlagert werden sollten.

Würden Honigdachse Außenpolitik machen - so sähe sie aus

Das alles wären inneramerikanische Angelegenheiten, hätte Bannon nicht bereits einen Fuß nach Europa gesetzt. In London unterhält Breitbart ein Büro, über eine geplante Ausweitung nach Deutschland gibt es immer wieder Gerüchte. Zwar gibt es hier keine amerikanischen Arbeiter, die Bannon befreien müsste. Aber es gibt sehr viele Leute, die sich vom "Establishment", von "der Politik" oder von "Europa" vergessen, gedemütigt und verraten fühlen; und es gibt allerlei rechtspopulistischen Bewegungen, die die Stimmen dieser Leute sammeln und über die sich Bannon immer wieder anerkennend geäußert hat. Der Nationalist Bannon, der diese nationalistischen Bewegungen hofiert, vielleicht mit etwas Hilfe des amtierenden US-Präsidenten - das wäre für die angeschlagene EU wie ein Tritt gegen ein Fläschchen Nitroglyzerin.

Wie das funktionieren könnte, kann man am Beispiel Großbritanniens studieren. Breitbart war ein begeisterter Befürworter des Brexit; dass überhaupt ein Amerikaner den Europa-Gegner und ehemaligen Ukip-Chef Nigel Farage kannte, als der mit Trump im Wahlkampf auftrat, lag auch an der Werbung, die Breitbart und Bannon für ihn gemacht hatten. Nach der Wahl war Farage der erste ausländische Politiker, den Trump empfing. Als der britische Botschafter in Washington in einem Telegramm prahlte, London sei bestens positioniert, um Einfluss auf den Neuen im Weißen Haus zu nehmen, schlug Trump den Briten postwendend in einem Tweet vor, doch Farage als diplomatischen Vertreter des Königreichs in die USA zu schicken.

Deutlicher kann man der britischen Regierung wohl nicht sagen, dass die einen mal kann. Würden Honigdachse Außenpolitik machen - so sähe sie aus.

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SZ vom 01.12.2016/ees
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