Süddeutsche Zeitung

Steuerstreit mit der Schweiz:Warum die Schweizer Justiz den Deutschen Druck macht

Die drei Männer, gegen die die Berner Bundesanwaltschaft Haftbefehle erlassen hat, sind keine Halunken. Im Gegenteil: Sie haben sich als Steuerfahnder um die Bundesrepublik verdient gemacht. Doch der Druck könnte die stockenden Verhandlungen zwischen Bern und Berlin um ein Steuerabkommen beschleunigen - auch wenn offizielle Stellen jeden Zusammenhang bestreiten.

Hans Leyendecker

Am Morgen des 20. März 2012 - es war Frühlingsanfang - sprang im Büro des Düsseldorfer Generalstaatsanwalts Gregor Steinforth das Telefaxgerät an: "Per Fax vorab" schickte die Berner Bundesanwaltschaft den Kollegen im Rheinland ein Rechtshilfeersuchen. Angehängt waren drei Haftbefehle, die am 15. März in der Schweiz ausgestellt worden waren. Die Reaktion der Düsseldorfer Strafverfolger ist nicht überliefert, aber verdattert werden sie schon gewesen sein. Keine Spur mehr von Frühlingsstimmung.

Demnach sind neuerdings zur Festnahme in der Schweiz ausgeschrieben: Peter B., Vorsteher des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Wuppertal, sowie ein Regierungsdirektor seiner Steuerfahndung und ein Steueramtsrat der Steuerfahndung Düsseldorf.

Die drei Männer sind keine Halunken. Im Gegenteil: Sie haben sich im doppelten Wortsinn um die Bundesrepublik verdient gemacht. Seit Jahrzehnten beschäftigen sie sich mit den Abgründen der Wirtschaftskriminalität. Insbesondere der Name Peter B. ist seit fast dreißig Jahren verbunden mit vielen großen Steuerstrafverfahren, die vor allem an den Tatorten Liechtenstein und Schweiz spielten. Der Fall des Steuersünders Klaus Zumwinkel steht zum Beispiel für viele dieser Fälle. Peter B. hat bereits vieles erlebt.

Begründung in der deutschen Rechtsgeschichte einzigartig

Aber drei Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder sind ein Novum, und auch die Begründung ist in der deutschen Rechtsgeschichte einzigartig: Den Beamten wird "Gehilfenschaft zu wirtschaftlichem Nachrichtendienst" sowie "Verletzung des Bankgeheimnisses" vorgeworfen. Sie hatten die Steuerstrafverfahren gegen rund 1000 deutsche Kunden der Credit Suisse und deren Gehilfen in der Schweiz und in Deutschland auf den Weg gebracht. Über einen Vermittler hatten die Beamten häppchenweise Unterlagen erhalten. Nach jahrelangen Verhandlungen hatte er ihnen im Februar 2010 eine CD mit den Namen von 1107 mutmaßlichen deutschen Steuerhinterziehern überreicht. Im Gegenzug zahlte die Düsseldorfer Regierung eine Prämie in Höhe von 2,5 Millionen Euro.

Ob der Staat solche Ware kaufen und damit womöglich kriminelle Handlungen belohnen darf, war und ist umstritten. Heiligt der Zweck die Mittel, um Betrüger dingfest zu machen?

Obwohl die Akteure in der Schweiz einen Zusammenhang zwischen den Festnahmebeschlüssen und den ins Stocken geratenen Verhandlungen über ein Steuerabkommen beider Länder bestreiten, drängt sich der Eindruck auf, dass die Schweizer mit den Haftbefehlen Druck machen wollen. Der Vertrag sieht auch vor, dass anhängige Verfahren gegen Beamte, die am Ankauf in der Schweiz gesammelter Daten beteiligt waren und nach schweizerischem Recht verfolgt werden, eingestellt werden . "Lex B." nennen Schweizer Insider diese Regelung.

Ein komplizierter Fall

Die Verfolgung politischer Straftaten wie "Gehilfenschaft zu wirtschaftlichem Nachrichtendienst" bedarf in der Schweiz einer Ermächtigung durch den Schweizer Bundesrat, und im Fall der Credit Suisse hatte der Bundesrat auch auf sein Vetorecht verzichtet. Bereits 2010 nahm die Schweizer Bundesanwaltschaft Ermittlungen gegen unbekannt auf. Im Februar und im Dezember 2010 schickten die Schweizer mehrere Rechtshilfeersuchen nach Deutschland, die allesamt unbeantwortet blieben. Anfang dieses Jahres brachten sie dann die Namen der drei deutschen Steuerfahnder zu Papier.

Ein komplizierter Fall: Bevor die CD 2010 gekauft wurde, hatte das deutsche Bundesfinanzministerium festgestellt, dass sich die Beamten, die den Ankauf der CD bewerkstelligen würden, nicht strafbar machten. Auch stehe nichts einer Verwertung der Daten in Strafverfahren entgegen. Eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Spätherbst des Jahres 2010 stärkte diese Linie.

Bei allen rechtlichen Betrachtungen gehen die deutschen Behörden von der Annahme aus, dass die Beamten nicht zu Straftaten angestiftet haben. Das aber behaupten die Schweizer Bundesanwälte. Michael Lauber, der oberste Strafverfolger des Bundes, erklärte jüngst, es bestehe der Verdacht, dass von Deutschland aus "konkrete Aufträge zum Ausspionieren von Informationen der Credit Suisse erteilt wurden".

Im März 2008 hatte sich ein Mittelsmann bei der Wuppertaler Steuerfahndung gemeldet und erklärt, er verfüge über die Daten von mehr als eintauend deutschen Kunden der Credit Suisse, die dort Schwarzgeld gebunkert hätten. In dienstlichen Erklärungen haben die drei Fahnder betont, die Initiative sei immer von dem Mittelsmann ausgegangen. Sie hätten nur auf seine Angebote reagiert.

Belastende Vermerke

Die Schweizer Behörden verfügen über reichlich Material aus den zahlreichen Credit-Suisse-Verfahren. Ein Teil davon stammt von dem Mittelsmann, den sie durch Zufall enttarnt haben. Er nahm sich in der Haft das Leben. Über seine Gespräche mit den deutschen Beamten soll er nichts gesagt haben. Der Lieferant der Unterlagen, ein früherer Banker der CS, war geständig und wurde inzwischen verurteilt. Aber er hatte nie mit den deutschen Steuerfahndern, sondern immer nur mit dem Mann zu tun, den die deutschen Fahnder in Vermerken den "Informationsgeber" nannten.

Als belastend werten die Schweizer vor allem einen vierseitigen Vermerk der Steuerfahndung Wuppertal "über die Abläufe des Datenerwerbs der Credit Suisse" aus den Märztagen des Jahres 2010. Zu einem Treffen mit dem Informationsgeber im Mai 2009 findet sich die Anmerkung: "Hinweis auf Mangel an Beihilfeaspekten". Zwei Monate später erhielten die Fahnder von ihm eine Power-Point-Präsentation, die die mutmaßliche Beihilfe von Bankangestellten belegte. Auch sollen die Fahnder, wie aus dem letzten Rechtshilfeersuchen hervorgeht, gedrängt haben, Unterlagen über den Zeitpunkt der Eröffnung der Konten und Geldtransfers zu bekommen. Die Fahnder erklärten intern, der Mittelsmann habe den Eindruck vermittelt, über sämtliches Material von Anfang an verfügt zu haben. Er habe es portionsweise herausgegeben.

Die Rechtshilfeersuchen und die Haftbefehle wurden vom Düsseldorfer Generalstaatsanwalt an das Bundesamt für Justiz weitergeleitet, das nun die Vorwürfe prüft. Die Eidgenossen haben keinen internationalen Haftbefehl beantragt. Sie wollen, dass die Fahnder in Deutschland vernommen werden. Ein Schweizer Strafverfolger solle dabei sein dürfen.

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SZ vom 03.04.2012/grc
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