Steuerstreit mit der Schweiz:"Ohrfeige für jeden anständigen Steuerzahler"

Vom Schutz deutscher Steuerflüchtlinge ist die Rede und von käuflicher Steuerfreiheit: Die Opposition lehnt das geplante Abkommen mit der Schweiz vehement ab und attackiert die Bundesregierung. Die Kritik richtet sich aber auch gegen die Eidgenossen selbst. Nun soll Außenminister Westerwelle den Botschafter einbestellen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel verschärft seine Kritik gegen das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. "Das Signal ist, der Staat lässt sich kaufen. Wer reich genug ist, kauft sich Steuerfreiheit", sagte Gabriel der WAZ-Mediengruppe. Das sei eine "Ohrfeige für jeden anständigen Steuerzahler und für den Rechtsstaat".

Ausserordentlicher Landesparteitag der SPD

Sigmar Gabriel kritisiert das geplante Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz.

(Foto: dapd)

Der SPD-Vorsitzende bezeichnete den Vertrag als wirkungslos, da er erst 2013 in Kraft treten solle. Bis dahin verstreiche so viel Zeit, dass Steuerflüchtlinge ihr Geld in Sicherheit bringen könnten.

"Wenn es um den Schutz deutscher Steuerflüchtlinge in der Schweiz geht, verlässt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jeder Sinn für Rechtsstaatlichkeit", sagte Grünen-Chef Cem Özdemir den WAZ-Zeitungen. Özdemir kritisierte auch FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der für das Schweizer Vorgehen gegen NRW-Steuerfahnder Verständnis geäußert hatte. "Völlig absurd an dem jetzt von Schwarz-Gelb geäußerten Verständnis für die Schweizer Haftbefehle für deutsche Steuerfahnder ist, dass die Steuer-CD einst noch unter einer schwarz-gelben Landesregierung in NRW angekauft wurde", sagte Özdemir.

Döring konterte und warf Sozialdemokraten und Grünen "Heuchelei" vor. Die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf habe es selbst "in der Hand, das Rechtshilfeersuchen der Schweiz abzulehnen und damit den deutschen Beamten Sicherheit zu geben", sagte Döring. Dass dies bisher nicht geschehen sei, bestätige, "dass hier ein rechtsstaatliches Verfahren läuft, das wir nicht einfach vom Tisch wischen können - auch nicht SPD und Grüne". Anstatt das einzuräumen, werde "öffentlich Empörung geheuchelt", sagte Döring.

Haftbefehle sind ein "handfester Skandal"

Die Kritik der Opposition richtet sich nicht nur gegen den politischen Gegner, sondern auch gegen die Schweiz selbst. "Die Haftbefehle gegen deutsche Steuerfahnder sind ein handfester Skandal", sagte der Bundestagsfraktionsvize der SPD, Florian Pronold, der Bild-Zeitung und forderte die Regierung zum Handeln auf. "Außenminister Westerwelle sollte den Schweizer Botschafter einbestellen, um die deutsche Haltung klarzumachen." Das Vorgehen der Schweiz sei nicht zu tolerieren.

Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid bekräftigte, dass die Schweiz mit den Haftbefehlen die Verhandlungen über das geplante Steuerabkommen mit Deutschland erschwere. "Wir waren in guten Gesprächen", sagte der SPD-Politiker der Stuttgarter Zeitung. "Umso bedauerlicher ist es, dass die Schweiz mit den Haftbefehlen in unnötiger Weise provoziert hat."

Der Streit über ein Steuerabkommen zwischen beiden Ländern war eskaliert, nachdem die Schweizer Justiz Haftbefehle gegen drei deutsche Finanzbeamte erlassen hatte. Sie wirft ihnen im Zusammenhang mit dem Kauf von CDs mit Daten mutmaßlicher deutscher Steuersünder Wirtschaftsspionage und Bruch des Bankgeheimnisses vor. Dies belastete die ohnehin schon schwierigen Verhandlungen über einen bilateralen Steuerpakt zusätzlich.

Für das Abkommen braucht die schwarz-gelbe Koalition die Unterstützung von Bundesländern, die von SPD und Grünen regiert werden. Diese hatten bislang bemängelt, dass deutsche Steuerflüchtlinge trotz Nachbesserungen immer noch zu gut wegkämen, und Widerstand gegen das Abkommen angekündigt.

Dem Abkommen zufolge sollen von 2013 an Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Auf Alt-Vermögen noch nicht entdeckter deutscher Bankkunden soll einmalig zwischen 19 und 34 Prozent an den deutschen Fiskus überwiesen werden. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben.

Ein Änderungsprotokoll für das geplante Steuerabkommen, mit dem das Problem unterschiedlicher Rechtsauffassungen gelöst werden soll, könnte nach Angaben des Bundesfinanzministeriums bereits am Donnerstag in Bern unterzeichnet werden. "Richtig ist, dass wenn noch auf der Schweizer Seite einige formelle Fragen geklärt werden können, wir gegebenenfalls morgen in Bern dieses Änderungsprotokoll unterschreiben könnten", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. "Die Verhandlungen sind im Wesentlichen abgeschlossen." Die Bundesregierung wolle dann mit dem Entwurf in die Abstimmungen im Bundestag und dem Bundesrat gehen.

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