Süddeutsche Zeitung

Steuerstreit mit der Schweiz:Mit Haftbefehlen in den Papierkrieg

Die Schweizer Haftbefehle gegen deutsche Fahnder sind töricht und von alberner Boshaftigkeit. Die deutsche Justiz könnte nun mit deutschen Haftbefehlen gegen die Manager von Schweizer Banken kontern. Doch die Justiz zweier Länder ist nicht dafür da, sich gegenseitig mit Haftbefehlen zu beschießen. So wird die Aufregung in Deutschland zur Begleitmusik zu dem Abkommen, das seinerseits unangemessen ist.

Heribert Prantl

Es hat schon allerlei Handels- und Wirtschaftskriege gegeben; den "Bananenkrieg" zwischen der EU und den USA zum Beispiel, der sich um Importzölle drehte und fast zehn Jahre dauerte. Einen "Haftbefehlskrieg" aber, wie er nun zwischen der Schweiz und Deutschland ausbrechen könnte, gab es noch nicht.

Die Justiz in Bern hat Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder erlassen; die Fahnder waren mittels gekaufter illegaler Daten den 180 Milliarden Euro auf der Spur, die Bundesbürger auf Konten in der Alpenrepublik vor dem deutschen Fiskus versteckt haben.

Die deutsche Justiz könnte nun kontern mit ein paar Dutzend deutschen Haftbefehlen gegen die Manager von Schweizer Banken - alle wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung. So etwas ist in der Vergangenheit des öfteren erwogen worden; es blieb aber bisher bei der bloßen Drohung damit, um so die Banken wenigstens zu einer gewissen Kooperation zu zwingen.

Die Justiz zweier Länder ist nicht dafür da, sich gegenseitig mit Haftbefehlen zu beschießen. Sie soll die Gesetze durchsetzen. Genau das beanspruchen freilich beide Seiten für sich: Die Schweiz verweist auf ihr Strafgesetz, welches das Bankgeheimnis schützt und dessen Ausspähung bestraft. Mit diesem Hinweis hat sie recht. Die deutsche Seite beruft sich ebenfalls auf ihr Strafgesetz, das Steuerhinterziehung bestraft und deren Verfolgung verlangt. Da hat sie recht. Wer nun der Ansicht ist, dass in der gleichen Sache doch nicht jede Seite recht haben kann, hat auch wieder recht.

Die Schweiz hat sich bei der Durchsetzung ihres Rechts in der Wahl des Mittels vergriffen; die Haftbefehle gegen die deutschen Beamten sind unangemessen, unverhältnismäßig und töricht. Und es war eine alberne Boshaftigkeit, diese Haftbefehle dann mittels Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden zu schicken mit der Aufforderung, die beschuldigten Beamten zu vernehmen und so die Vollstreckung vorzubereiten. Mit Juristerei hat das wenig, aber mit Rechthaberei viel zu tun. Wäre sich die Schweizer Justiz ihrer Sache rundum sicher, hätte sie ihre Haftbefehle zur internationalen Fahndung ausgeschrieben.

Die deutsche Aufregung um die Haftbefehle wird zur dissonanten Begleitmusik für das Steuerabkommen mit der Schweiz, das vor dem Abschluss steht. Dieses Abkommen ist so unangemessen, wie es die Haftbefehle gegen deutsche Steuerbeamte sind. Warum? Es läuft den Bestrebungen zuwider, Steuerhinterzieher härter anzupacken: Sie bleiben nach diesem Vertrag nicht nur straffrei, sondern auch noch anonym und zahlen nur inkognito; ihre Schweizer Bank wickelt die pauschale Nachversteuerung der versteckten Geldes zu gnädigen Sätzen ab. Dafür verzichtet der deutsche Staat darauf, illegal erlangte Daten über Steuerhinterzieher anzukaufen.

Das ist ein schlechter Tausch. Für ihn sprechen nur zwei Gründe. Erstens: Er ist besser als gar nichts. Zweitens: Er verhindert das Schießen mit Haftbefehlen.

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SZ vom 03.04.2012/rela/gba
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