Steuerstreit in den USA:Warum es schadet, wenn Reiche zu reich sind

USA Reiche Steuern

Die Republikaner dienen langfristig nicht einmal jenen, für die sie so eifrig eintreten. Denn dass Amerikas Reiche immer reicher werden schadet auf Dauer einer Wirtschaft, die ihre Energie immer auch daraus zog, dass Arme darin viel erreichen konnten.

(Foto: REUTERS)

Die amerikanische Rechte will jene zwei Prozent der Bevölkerung, die mehr als eine Viertelmillion Dollar im Jahr einnehmen, vor Steuererhöhungen verschonen. Das wirkt selbst aus Sicht der Konservativsten irre - vor allem, weil gesellschaftlicher Aufstieg im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kaum mehr stattfindet.

Ein Kommentar von Nicolas Richter

Auf diese Weihnachtsgeschichte muss man erst mal kommen: Kürzlich hat der Republikaner und Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, die Glühbirnen am Weihnachtsbaum des Parlaments angeknipst und gesagt, es liege mehr Segen darin, zu geben als zu nehmen. Gleichzeitig tut er im Haushaltsstreit mit dem Präsidenten so, als müsse er bis Heiligabend Gerechtigkeit herstellen: Nicht im Sinne der Armen und Schwachen allerdings, sondern dafür, dass die reichsten Familien des Landes verschont bleiben vor höheren Steuern.

Die amerikanische Rechte also kämpft mitten im Advent für jene zwei Prozent der Bevölkerung, die mehr als eine Viertelmillion Dollar im Jahr einnehmen. Das wirkt inzwischen selbst aus Sicht der Konservativsten irre. Es zeigt, wie sehr die Republikaner das Gefühl für das normale Leben verloren haben. Ihre Politik für die Reichsten dient weder ihnen noch jener Klientel, die sie angeblich verteidigen.

Die Rechten aber, die sich seit Ronald Reagan als Beschützer des wahren Amerikas sehen, haben Steuererhöhungen - egal für wen - längst zu etwas erklärt, das unanständig, gar unamerikanisch ist. Sie haben sich, ihren Wählern und Spendern versprochen, niemals einen Steuersatz anzuheben. Angeblich, weil dies Jobs kostet.

Inzwischen glaubt kaum noch jemand, dass Jobs verloren gingen, wenn die Reichsten ein bisschen mehr zum Allgemeinwohl beitragen müssten. So gesehen geht es den Republikanern in Wahrheit nicht um die Reichen, sondern um ihre Ideologie: Sie wollen den Staat eindämmen. Nun sitzen sie in derselben Falle wie bei Einwanderung oder Familienplanung: Weil sie stur ihre Prinzipien verteidigen, entfernen sie sich von immer größeren Teilen der Bevölkerung.

Die Partei dient langfristig nicht einmal jenen, für die sie so eifrig eintritt. Amerikas Reiche sind zuletzt immer reicher geworden. Jeder zehnte Dollar des verfügbaren Einkommens im Land fließt an 0,1 Prozent der Bevölkerung. Dies schadet auf Dauer einer Wirtschaft, die ihre Energie immer auch daraus zog, dass auch Arme darin alles erreichen konnten. Aber die "soziale Mobilität" nimmt ab, sie ist heute geringer als in Europa. Wer reich geboren wird, bleibt reich, wer arm und ungebildet ist, bleibt es ebenfalls.

Argwohn gegenüber der Finanzindustrie

Nun verlangt Präsident Obama von den Reichen mehr Geld. Er ist unehrlich, wenn er so tut, als ließen sich allein dadurch die Staatsfinanzen sanieren. Aber das Land braucht mehr Umverteilung: Die Reichsten haben zu viel. In der Mittelschicht, deren Einkommen schrumpft, fehlt oft das Geld, die Kinder auf eine Universität zu schicken. Das mag an der Globalisierung und am Niedergang der US-Industrie liegen, aber es liegt auch am Irrglauben, dass der Staat nur die Steuern senken muss, damit Amerika blüht.

Viele Reiche wissen das. Viele ihrer Lobbygruppen und Denkfabriken nähren zwar die republikanische Ideologie, allerdings besteht die Oberschicht nicht nur aus dumpfen Plutokraten. Etliche Reiche wählen die Demokraten, fänden höhere Steuern gerecht und sympathisieren sogar mit der Bewegung "Occupy Wall Street". Sie betrachten die Finanzindustrie, die auch ihr Geld vermehrt, mit Argwohn. Zunehmend sind Amerikas Superreiche nicht mehr Unternehmer, die Jobs schaffen, sondern Anwälte oder Hedgefonds-Manager, die Geld weltweit so verschieben, dass der Profit am größten ist.

Der prominenteste Vertreter dieser Klasse ist Mitt Romney, der sich als Manager für den besseren Politiker hielt. Wenn er über die Sozialschmarotzer klagte, meinte er die Armen. Aber er hätte von Leuten sprechen müssen wie sich selbst, denen der Staat seit Reagan immer mehr erlaubt und von denen er immer weniger verlangt hat. Romney zahlt 14 Prozent Steuer auf seine Kapitaleinkünfte, was eigentlich schon alles sagt. Er hat die Wahl gegen Obama klar verloren.

In den USA musste man sich nie dafür schämen, reich zu sein, und die Reichen sehen sich dort weniger Argwohn ausgesetzt als etwa in Deutschland. Erfolg gilt - selbst wenn es der Erfolg der anderen ist - als Lohn für Fleiß und immer auch als Beweis dafür, wie großartig das Land ist. Aber nach der Finanzkrise (unter deren Folgen das Land mit Ausnahme der Finanzindustrie noch immer leidet) spüren zwei Drittel der Amerikaner, dass wenige zu viel haben und viele zu wenig.

Der Präsident ist kein Populist, weil er mehr verlangt von jenen reichen zwei Prozent, zu denen er sich übrigens selbst zählt. Aber er wird für höhere Steuern einen hohen politischen Preis zahlen müssen: Sollten die Republikaner am Ende nachgeben, werden sie dafür massive Kürzungen in den Sozialetats verlangen. Wenn die Reichen schon bluten, sollen es auch die Armen.

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