Steuersenkungen:CDU sieht wenig Spielraum

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Schwerer Stand für die FDP: Unmittelbar vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zeigen sich nicht nur CDU-Politiker zurückhaltend gegenüber dem wichtigsten Wahlversprechen der Liberalen.

Unmittelbar vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen der Union und der FDP stecken die Parteien ihr Terrain ab. Die Liberalen äußerten sich allerdings verstimmt über Aussagen von CDU und CSU, bestimmte Themen von vornherein als nicht verhandelbar zu deklarieren. Kritisch dürfte es auch bei einem Hauptversprechen der FPD werden: den Steuersenkungen.

FDP-Chef Guido Westerwelle und CDU-Chefin Angela Merkel: Wer geht in welchen Punkten auf wen zu? (Foto: Foto: dpa)

Hier dürfte zwischen FDP und CDU hart diskutiert werden. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel beharrte in der Rhein-Neckar-Zeitung auf einer Steuerstrukturreform. Allerdings machte er deutlich, seiner Partei sei klar, "dass wir unsere Vorstellungen nicht zu 100 Prozent umsetzen können".

Auch die CSU bekräftigte ihre Steuersenkungspläne. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der Berliner Zeitung, die CSU setze auf Wachstum. "Nur Investitionen in Wirtschaft und in Arbeitsplätze führen zu mehr Beschäftigung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Das führt letztendlich auch zu mehr finanziellen Spielräumen." Soziale Einschnitte seien dafür nicht notwendig.

Aus der CDU kamen hingegen vorsichtige bis skeptische Stimmen. Der stellvertretende CDU-Chef Jürgen Rüttgers sprach sich vor Beginn der Koalitionsverhandlungen mit der FDP in Berlin für eine Änderung der Erbschaftsteuer aus. Diese sei in ihrer jetzigen Form "in der Praxis nicht anwendbar und ein großes Problem für kleine und mittlere Betriebe", sagte er der Bild-Zeitung zufolge.

Rüttgers sprach sich für eine Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags aus, wenn es wieder Spielraum im Staatshaushalt gebe. "Das geht aber nur, wenn auch gleichzeitig das Kindergeld steigt, damit die Lösung sozial ausgewogen ist", erklärte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.

Vor übereilten Steuersenkungen warnte der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Er sehe bei der wirtschaftlichen Lage kaum Spielräume, dass 2010 und 2011 die Steuern sinken könnten, sagte der CDU-Politiker der Leipziger Volkszeitung zufolge.

Bundesbankpräsident Axel Weber forderte Union und FDP auf, eine Steuerreform nicht auf die Einkommensteuer zu verengen. "Es muss um alle Abgaben gehen, direkte Steuern wie die Einkommensteuer, indirekte wie die Mehrwertsteuer und auch die Sozialabgaben", sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Für den Bürger sei es keine Entlastung, wenn er zwar weniger Einkommensteuer zahlen müsse, dafür aber an anderer Stelle mehr.

Weber warb für Einsparungen im Bundeshaushalt. "Eine Konsolidierung über die Ausgaben ist zwar schwieriger durchzusetzen, aber dafür nachhaltiger und wachstumsfreundlicher", sagte er.

DIW-Chef rechnet mit Steuererhöhung

Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet ohnehin spätestens in zwei Jahren mit massiven Steuererhöhungen. "Union und FDP werden jetzt aus taktischen Gründen eine kleine Steuerreform machen", sagte Klaus Zimmermann der Thüringer Allgemeine. In zwei Jahren dann, wenn das Defizit riesig sei, kämen sie jedoch um eine Mehrwertsteuererhöhung nicht herum. Nach Ansicht Zimmermanns gibt es dazu keine Alternative.

Der DIW-Chef forderte die Abschaffung der Rentengarantie. Diese sei "unbezahlbar" und "unnötig" und müsse daher "dringend weg", sagte Zimmermann der Bild-Zeitung. Die Garantie sei ein Mühlstein um den Hals der Steuerzahler und verhindere die Sanierung der Rentenkassen.

Doch nicht nur die Steuerdebatte macht der FDP vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zu schaffen. So reagierte die Partei auf Ankündigungen der Union verärgert, es werde im Bereich der inneren Sicherheit keinen Kurswechsel geben. "Es bringt überhaupt nichts, wenn die CDU/CSU jetzt sagt, was alles nicht geht", sagte die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Süddeutschen Zeitung.

Mehrere Unions-Innenminister aus den Ländern hatten der FDP unter anderem vorgeworfen, sie wolle mit ihrem Eintreten etwa gegen Online-Durchsuchungen die jetzigen Sicherheitsstandards untergraben. "Es gibt keine Untergrabung der Sicherheitsstandards. Das lässt die FDP sich nicht vorwerfen", sagte Leutheusser-Schnarrenberger, die als Justizministerin im Gespräch ist.

FDP-Generalsekretär Niebel sagte, er halte es für "Geplänkel", dass die Union bereits vor Beginn der Koalitionsgespräche Themen wie den Gesundheitsfonds oder den Kündigungsschutz als nicht verhandelbar bezeichnete.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatte am Sonntag in der ARD noch einmal unterstrichen, der Gesundheitsfonds habe sich bewährt und werde nicht zur Disposition gestellt. Über weitere Verbesserungen könne man reden. "Aber er wird bleiben." Die FDP will den Fonds abschaffen. Zu der Forderung der FDP, den Kündigungsschutz zu lockern, sagte Kauder: "Das werden wir nicht machen."

Warnung vor dem Griff in die "Mottenkiste der Deregulierer"

Frank Bsirske, der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, warnte die künftigen Koalitionäre vor den Folgen eines Sozialabbaus. Für ein Programm des ungebremsten Sozialabbaus werde es in der Gesellschaft starke Kräfte geben, die ein Widerlager bildeten, sagte er im ZDF.

Er forderte, den "Unsinn der Rente mit 67 seinzulassen", weil davon auszugehen sei, dass die Massenarbeitslosigkeit weiter steigt. Zudem sollten die Koalitionäre "das Thema Lohnarmut ernst nehmen" und den gesetzlichen Mindestlohn "anpacken". Beim Thema Steuern sei es sinnvoll, "unten zu entlasten", wenn dies durch eine stärkere Besteuerung auf höhere Einkommen gegenfinanziert werde.

Der designierte Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, warnte die neue Bundesregierung vor "unnötigen Provokationen". Es sei "wirklich überflüssig", jetzt wieder "Stereotype aus der Mottenkiste der Deregulierer" zu holen, wird Vassiliadis in der Zeitung Rheinpfalz zitiert. Er reagierte damit auf Forderungen aus der FDP sowie von Wirtschaftsverbänden, den Kündigungsschutz zu lockern oder die Mitbestimmung einzuschränken.

Aber zumindest in einer Personalie zeigt sich die FDP sicher: Nach Angaben aus der Parteispitze wird FDP-Chef Guido Westerwelle in der neuen schwarz-gelben Koalition auf jeden Fall das Amt des Außenministers übernehmen. Bei den Koalitionsverhandlungen gelte zwar, dass zunächst über Inhalte und danach über Ressortzuschnitte und Personalien gesprochen werde, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Andreas Pinkwart der Leipziger Volkszeitung vom Dienstag laut Vorabbericht. Dabei gebe es aber zwei Ausnahmen: "Gesetzt sind Angela Merkel als Bundeskanzlerin und Bundesaußenminister Guido Westerwelle als Vizekanzler."

Die neue Regierung soll nach dem Willen von CDU und CSU bereits mit der ersten Sitzung des neuen Bundestages am 27. Oktober im Amt sein. Darauf hat sich nach Bild-Informationen die Vorbereitungsrunde der Union geeinigt. Würden die Mitglieder der künftigen schwarz-gelben Bundesregierung schon zu diesem Zeitpunkt vereidigt, könnte der wahrscheinliche neue Außenminister Guido Westerwelle (FDP) dann Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bereits zum EU-Gipfel am 29./30. Oktober nach Brüssel begleiten, heißt es.

© AFP/AP/dpa/ddp-bay/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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