Steuersenkung:Merkel definiert ihre eigene Obergrenze

Angela Merkel at the Standehaus-Treff in Dusseldorf

Der CDU-Parteitag hat beschlossen, dass ein Drittel der Mehreinnahmen für Steuersenkungen genutzt werden sollen, Merkel ist da zurückhaltender.

(Foto: Getty Images)

Die Steuereinnahmen steigen ins Fantastische. Trotzdem will die Kanzlerin die Steuern nur um 15 Milliarden senken. Doch mit sozialpolitischen Überlegungen hat das nichts zu tun.

Kommentar von Robert Roßmann

Die Zahlen sind dermaßen groß, dass sich zumindest Comic-Leser an Dagobert Ducks Fantastilliarden erinnern dürften. 852 200 000 000 Euro wird der deutsche Staat im Jahr 2021 einnehmen. Diese Schätzung hat Finanzminister Schäuble gerade vorgestellt. Im vergangenen Jahr waren es noch 706 Milliarden Euro, das Steueraufkommen wird also um fast 150 Milliarden Euro steigen. Angesichts dessen ist erstaunlich, was Angela Merkel jetzt kundgetan hat. Die Kanzlerin, ansonsten keine Freundin von Obergrenzen, hat apodiktisch erklärt, die Steuern höchstens um 15 Milliarden Euro senken zu wollen.

Die Union ist in Nordrhein-Westfalen im Wahlkampf, das Rennen ist knapp, und noch nicht einmal in so einer Situation verspricht die CDU-Chefin eine größere Steuersenkung - wie kann das sein? Immerhin ignoriert Merkel damit auch den Beschluss des jüngsten CDU-Parteitags, ein Drittel der Mehreinnahmen für Steuersenkungen zu nutzen.

Die CDU hat keine Flügel wie die SPD. Aber sie verweist gerne auf ihre drei Wurzeln, die christlich-soziale, die liberale und die konservative. Dabei übersieht die Partei, dass von diesen Wurzeln nach 17 Jahren Merkel an der Parteispitze kaum noch etwas zu spüren ist. Die Kanzlerin kann man keinem der drei Lager zuordnen - im Gegenteil. Die Wurzeln der CDU werden schon lange vom radikalen Pragmatismus der Vorsitzenden überlagert. Und so ist es auch in diesem Fall. Merkel leitet bei ihrem Veto gegen eine größere Steuersenkung nicht irgendein sozialpolitischer Vorbehalt, sondern schlicht der Blick auf die Erfolgsaussichten der CDU.

Für Merkel ist die schwarze Null zu einem Markenzeichen der CDU geworden, das sie auf keinen Fall gefährden will. Wer leichtfertig Steuersenkungen verspricht, könnte bei einer Eintrübung der Konjunktur Gefahr laufen, wieder neue Schulden aufnehmen zu müssen. Das Markenzeichen wäre perdu. In den vergangenen Jahren hatte diese Sorge einiges für sich. Energiewende, Banken-, Euro- und Griechenland-Krise sowie der Aufwand für die Flüchtlinge haben immer wieder zu enormen und ungeplanten Mehrkosten geführt. Wer die schwarze Null auf keinen Fall riskieren will, kann nicht gefahrlos größere Steuersenkungen versprechen. Und vermeidbare Gefahren schätzt die Kanzlerin nicht.

Die Kanzlerin hat Angst davor, bei den Wählern zu große Erwartungen zu schüren

Dass Merkel sich so schwertut, liegt aber auch an einschlägigen Erfahrungen. Der Flat-Tax-Plan von Paul Kirchhof, dem Professor aus Heidelberg, hätte ihr beinahe die erste Wahl zur Kanzlerin vermasselt. Und der tiefe Fall der FDP aus der Regierung zeigte, wie groß die Gefahr ist, mit Steuersenkungsversprechen Erwartungen zu schüren, die nicht einlösbar sind. Wie gewaltig das Enttäuschungspotenzial ist, belegt schon eine schlichte Rechnung: Eine jährliche Steuerentlastung von einer Milliarde Euro bringt dem einzelnen Bürger im Schnitt lediglich einen Euro im Monat.

Vor allem aber setzt Merkel - zum Leidwesen ihrer Partei - ungern auf CDU-pur. Sie denkt immer auch an ihre aktuellen und möglichen künftigen Koalitionspartner. Und weder mit der SPD noch mit den Grünen dürfte es größere Steuersenkungen geben. Die Enttäuschung will die CDU-Chefin ihren Wählern lieber gleich ersparen - trotz der Fantastilliarden in Schäubles Geldspeicher.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: