Steuerschätzung:Das Loch ist 19,1 Milliarden tief

Bund, Länder und Gemeinden müssen den Gürtel noch ein Loch enger schnallen: Den öffentlichen Haushalten fehlen laut der offiziellen Steuerschätzung zuätzlich 19,1 Milliarden Euro.

Nach den am Donnerstag in Berlin vorgelegten Berechnungen der Steuerschätzer müssen die Staatskassen in diesem Jahr mit 8,2 Milliarden Euro weniger Einnahmen auskommen als noch im Mai erwartet. 2004 summiert sich das zusätzliche Minus auf 10,9 Milliarden Euro.

Damit haben die Steuerschätzer nach ihren zweitägigen Beratungen zum sechsten Mal in Folge ein Wegbrechen der Staatseinnahmen verkündet. Nach den neuen Milliarden-Ausfällen zeichnen sich schwierige Verhandlungen zwischen Regierung und Union über zentrale rot-grüne Reformvorhaben bei Steuern und Kommunalfinanzen ab.

Bereits an diesem Freitag wird im Unions-dominierten Bundesrat unter anderem über das Vorziehen der dritten Steuerreformstufe auf 2004 und deren Finanzierung sowie über die Gemeindefinanzreform abgestimmt. Es wird davon ausgegangen, dass die Unionsmehrheit in der Länderkammer die Pläne ablehnt und den Vermittlungsausschuss anruft.

Statt der im Mai für 2003 vorausgesagten Steuereinnahmen von insgesamt 449,8 Milliarden Euro müssen die Staatskassen 2003 nun mit 441,6 Milliarden auskommen.

on den gesamtstaatlichen Mindereinnahmen in Höhe von 8,2 Milliarden Euro entfallen 4,2 Milliarden auf den Bund und 3,8 Milliarden auf die Länder. Die Gemeinden müssen sich im laufenden Jahr zunächst auf keine weiteren Steuerausfälle einstellen.

An die EU wird Deutschland 200 Millionen Euro weniger zahlen.

Im kommenden Jahr wird das Steueraufkommen nur auf 453,4 Milliarden Euro steigen, statt auf die im Mai prognostizierten 464,3 Milliarden. Von dem neuen Minus muss der Bund 4,8 Milliarden Euro tragen, die Länder müssen mit 4,5 Milliarden weniger auskommen.

In die Gemeindekassen fließen voraussichtlich 400 Millionen weniger. In den EU-Kassen entsteht 2004 ein zusätzliches Loch von 1,2 Milliarden.

Bei der Lohnsteuer spiegelt sich nach Darstellung des Schätzerkreises die Lage auf dem Arbeitsmarkt wider. 2004 werde hier das Aufkommen hinter dem von 2003 zurückbleiben. Hinzu kämen weniger Sonderzahlungen. Das Umsatzsteueraufkommen leide weiter unter der schwachen Binnennachfrage.

2004 werde aber bei anziehender Konjunktur eine Besserung erwartet.

Deutlich erhöht habe sich das Aufkommen bei der Körperschaftsteuer. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer - hier gab es 2001 und 2002 wegen Konjunktur und Gesetzgebung einen Einbruch - seien deutlich gestiegen.

Zuletzt schwankten die Ausfall-Prognosen zwischen 17 Milliarden und mehr als 20 Milliarden Euro. Die Steuerschätzer haben sich damit offensichtlich für eine eher zurückhaltende Prognose entschieden.

Der neuerliche Einbruch war erwartet worden und ist im Bundeshalt nach Aussage der Koalition einkalkuliert. Finanzminister Hans Eichel hatte vor der Schätzung für den Bundeshaushalt noch höhere Ausfälle in Aussicht gestellt.

2003 hatte er ursprünglich rund 5 und für 2004 rund 6 Milliarden Euro erwartet.

Ein neuer Nachtragshaushalt für 2003, der für den gesamten Staat von einem Rekord-Defizit von bis zu 90 Milliarden Euro ausgeht, wird nach Aussage der Koalition trotz der Mindereinnahmen nicht nötig.

Eichel hatte eingestanden, dass Deutschland auch 2004 und damit zum dritten Mal in Folge die im Euro-Stabilitätspakt zugelassene Defizit- Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes reißt.

Der 1955 gebildete Steuerschätzerkreis, dem Vertreter von Bund, Ländern, führenden Forschungsinstituten, Bundesbank, Statistiker sowie Wirtschaftsweise angehören, tagt zwei Mal im Jahr.

Die von Rot-Grün geplante vorgezogene dritte Steuerreformstufe, die für Bürger und Wirtschaft Entlastungen von 15,6 Milliarden Euro bringen soll, ist nicht berücksichtigt.

(sueddeutsche.de/dpa)

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