Süddeutsche Zeitung

Steuerreform:Pubertäre FDP

Das neue Steuerkonzept der FDP ist bescheidener als die Wahlversprechen - doch manch eine Forderung verkommt zur Farce. Vor der Partei liegt noch ein langer Reifeprozess.

Claus Hulverscheidt

Wenn jemand klüger wird, sollte man ihn dafür nicht tadeln. Das gilt auch für Guido Westerwelle, dem dieser Tage vorgeworfen wird, er sei klammheimlich von seiner Forderung nach einer großen Steuerreform abgerückt und damit "umgefallen". Zwar stimmt es, dass die Liberalen die Bürger neuerdings nicht mehr um 19,5 Milliarden, sondern nur noch um gut 16 Milliarden Euro entlasten wollen. Das aber ist angesichts der katastrophalen Haushaltslage bei Bund, Ländern und Gemeinden kein Rück-, sondern ein Fortschritt.

Ebenso erfreulich ist, dass das Steuersenkungskonzept der FDP stark auf die mittleren Einkommen abzielt. Hauptprofiteure wären also jene Leistungsträger, über die Politiker in Sonntagsreden gerne sprechen, die sie im Alltagsgeschäft aber oft vergessen.

Viel mehr Gutes allerdings lässt sich über die Vorschläge der Liberalen nicht sagen. Zwar darf der alte Steuerfuchs Hermann Otto Solms endlich seinen Traum von der Einführung eines Stufentarifs verwirklichen.

Die Mehrwertsteuer-Farce

Anders als von ihm behauptet, löst das aber kein einziges Problem: Die Steuerbelastung im unteren Einkommensbereich bleibt überproportional hoch, das Ärgernis der kalten Progression wird in manchen Fällen sogar noch drastisch verschärft.

Ebenso unzureichend sind die Ideen zur Finanzierung der Reform, die von der Eindämmung des Steuerbetrugs bis zur Verringerung der Schwarzarbeit reichen. Geradezu eine Farce ist, dass Parteivize Pinkwart einerseits den Abbau von Sondervergünstigungen bei der Mehrwertsteuer fordert, andererseits aber das gerade eingeführte, widersinnige Steuerprivileg für Hoteliers für tabu erklärt. Der Reifeprozess der FDP hat begonnen - mehr aber auch nicht.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2010/jab
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