Steuerpolitik:Soli soll weitgehend abgeschafft werden

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Die Mehrheit der Steuerzahler wird ab 2021 vom Zuschlag befreit, Spitzenverdiener bleiben ausgenommen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Kurz vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen ist die Bundesregierung einem wichtigen Ziel näher gekommen: Sie will den Soli-Zuschlag für viele Bürger abschaffen. Am Mittwoch verabschiedete das Kabinett den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Danach soll der Zuschlag von 2021 an für Steuerzahler mit niedrigem und mittlerem Einkommen wegfallen. Für weitere 6,5 Prozent, die besser verdienen, soll er teilweise entfallen. Spitzenverdiener ab 109 000 Euro Bruttoeinkommen jährlich sollen den Zuschlag voll weiterzahlen.

Scholz sprach in Berlin von einem bedeutsamen Tag "auf dem Weg zur Vollendung der deutschen Einheit". Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, es sei "gerecht und richtig", die Menschen zu entlasten.

Die Abgabe auf die Lohnsteuer war vor knapp 30 Jahren von der schwarz-gelben Koalition unter Helmut Kohl (CDU) eingeführt worden. Sie sollte dazu dienen, die Lasten der Wiedervereinigung zu schultern, tatsächlich finanzierte Kohl damit die deutschen Hilfen im zweiten Golfkrieg. Bund und Länder schlossen seinerzeit den Solidarpakt I, der zwischen 1995 und 2004 den "Aufbau Ost" mit vielen Milliarden Euro absichern sollte. Anschließend vereinbarte man den Solidarpakt II; die ostdeutschen Länder und Berlin erhielten weitere Finanzhilfen. Der Pakt läuft Ende 2019 aus. Damit entfällt auch die Grundlage für die Erhebung des Solidaritätszuschlages.

Weil die große Koalition den Zuschlag von Spitzenverdienern weiter verlangen will, drohen nun Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht. FDP-Chef Christian Lindner kündigte bereits an, nach Karlsruhe gehen zu wollen. Den Soli nicht für alle abzuschaffen, sei "rechtlich fragwürdig, ökonomisch unklug und politisch unglaubwürdig", so Lindner in Berlin. Er forderte die Union auf, sich der Klage anzuschließen. CDU und CSU hatten auf die vollständige Abschaffung gedrängt. Scholz hält das Gesetz für verfassungskonform.

Die Kosten der Wiedervereinigung seien "in weiten Teilen" gestemmt. Weil der Prozess aber nicht abgeschlossen sei, würden noch Ausgaben anfallen. Diese würden künftig "von denen geschultert, die mehr haben als andere. Das ist fair und wird auch einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten".

Das Gesetz sieht vor, dass Steuerzahler von 2021 an um insgesamt zehn Milliarden Euro entlastet werden, bis 2024 steigt die Summe auf zwölf Milliarden Euro jährlich an. Weil Einnahmen aus dem Soli vollständig in den Bundeshaushalt geflossen sind, muss der Bund mit entsprechenden Mindereinnahmen kalkulieren. Scholz betonte, die Ausfälle seien bereits einkalkuliert. Im Jahr 2018 spülte der Soli fast 19 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt. Für das Jahr 2019 rechnet die Bundesregierung mit Einnahmen von 19,4 Milliarden Euro; 2020 sollen es 20 Milliarden Euro werden.

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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