Steuerpolitik:Grünes Splitting

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"So kann man keine Partei führen": Die Grünen-Chefs Simone Peter und Cem Özdemir stehen zunehmend unter innerparteilichem Druck. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Parteispitze kann sich nicht auf ein Konzept einigen, wie Eheleute künftig besteuert werden sollen. Nun wächst der Unmut über die mangelnde Führung.

Von Stefan Braun, Berlin

Da haben sich die Grünen mal wieder viel Arbeit gemacht; da haben ihre Fachpolitiker zum Thema Gerechtigkeit sehr viele Papiere geschrieben; da hat sich auch die Partei- und Fraktionsspitze immer wieder eingeschaltet - und am Ende sind beim Leitantrag zum bevorstehenden Parteitag doch wieder viele Fragen offen geblieben. Steuern, soziale Gerechtigkeit, Ehegattensplitting - diese Fragen bleiben für die Partei eine Baustelle. Nun sollen Mitte November die Delegierten entscheiden, wie die Grünen gegen die Kinderarmut und die wachsende soziale Spaltung ankämpfen möchten. Ein Dauerbrenner bleibt ein Dauerbrenner - und der könnte den Grünen ähnlich schaden wie er es im Wahlkampf 2013 getan hat.

In der erweiterten Parteiführung hat das übers Einheitswochenende zu mittelschweren Verwerfungen geführt. Zwar will niemand die anderen öffentlich angreifen. Aber man kann an diesem Dienstag vielen Grünen begegnen, die für die ungelösten Fragen kaum noch Verständnis haben. "Alle wussten, dass wir mit einem Streit übers Ehegattensplitting nichts gewinnen, aber viel verlieren können", schimpft einer, der seit Langem in der Führung mit dabei ist. "Trotzdem haben wir es geschafft, dieses Thema wieder zu einem großen Thema zu machen."

Tatsächlich steht wie vor drei Jahren die Frage im Raum, wie hart und wie schnell die Grünen das Ehegattensplitting abschaffen möchten. Dabei waren sich nach der verlorenen Bundestagswahl 2013 alle einig, dass die Pläne zur Abschaffung schwer geschadet und sich deshalb nicht für eine Neuauflage empfohlen hatten. Nicht nur die Realos vertraten diese Auffassung; auch Vertreter des linken Flügels wie Fraktionschef Anton Hofreiter plädierten für diese Einsicht. Die Beharrungskräfte aber sind mächtig, nicht nur bei sogenannten konservativen Parteien. Deshalb wird der Parteitag in Münster darüber befinden, ob das Ehegattensplitting für alle abgeschafft wird oder nur für künftige Ehen.

Ähnlich entscheidungsunfreudig war die Parteispitze bei der Frage, ob man die wirklich Vermögenden künftig über eine Vermögensteuer oder eine gestaffelte Erbschaftsteuer zur Kasse bitten möchte. Für die Vermögensteuer plädierten alle Linken, darunter auch Parteichefin Simone Peter; für die Erbschaftsteuerreform kämpften vor allem die Baden-Württemberger, im Bündnis mit Parteichef Cem Özdemir. Das Ergebnis des Gerangels: Antwort offen. "So kann man keine Partei führen", schimpfte am Dienstag ein führendes Mitglied der Fraktionsspitze.

Die Unzufriedenheit ist vor allem deshalb so groß, weil die Grünen durch die neuerliche Verlängerung der Debatten Gefahr laufen, dass andere Beschlüsse kaum wahrgenommen werden. "Streit ist sexy, aber Streit ist für uns immer schlecht", sagte am Dienstag einer, der die vergangenen Tage fast nur noch mit dem Versuch verbrachte, die Konflikte aus dem Weg zu räumen. "Streit und ungelöste Fragen ziehen leider alle Aufmerksamkeit auf sich."

Dabei bilden sich die Grünen einiges darauf ein, dass sie - passend zu einer internen Umfrage im Sommer - sehr klar sind bei der Frage, wie sie Kitas und Schulen fördern, den Kampf gegen die Kinderarmut aufnehmen und die aus ihrer Sicht sozial ungerechte Lastenverteilung bei der Krankenversicherung aufbrechen möchten. Laut Leitantrag sprechen sie sich dafür aus, das umstrittene Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern bei der Bildung abzuschaffen. Und so lange das noch nicht erreicht ist, wollen sie einen hohen Milliardenbetrag als Investitionsprogramm in die Schulen stecken. Hinzu kommen soll mehr Geld für Erzieher und Erzieherinnen sowie ein Kitaqualitätsgesetz. Mit einem solchen Gesetz wollen sie das zum Teil bis heute große Gefälle zwischen verschiedenen Regionen beheben.

"Streit ist sexy, aber Streit ist für uns immer schlecht", schimpft ein führender Grüner

Vergleichsweise konkret sind auch die Vorschläge zur Bekämpfung der Kinderarmut. Zwar wird der Parteitag auch in diesem Fall eine Wahl haben. Anders als beim Ehegattensplittung und der Vermögensbesteuerung aber sind die Alternativen nicht so kontrovers, dass sie Schaden anrichten könnten. Zur Entscheidung steht an, ob es nach dem Willen der Grünen künftig eine Kindergrundsicherung geben soll, unabhängig vom Einkommen der Eltern. Oder ob sie sich für einen Kindergeldbonus aussprechen. Er würde vor allem Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen sowie Alleinerziehenden helfen.

So kontrovers diese wie andere Fragen diskutiert werden dürften - an zwei Stellen wird Einigkeit herrschen. Das gilt für die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab einem Single-Einkommen von 100 000 Euro; sie wird kommen. Und es gilt für die Frage, ob die Partei im Wahlkampf vorrechnen soll, wie sie all ihre Pläne finanzieren möchte. Die einhellige Antwort hier: Das werden wir nicht tun.

© SZ vom 05.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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