Steuern - Schwerin:Steuerzahlerbund prangert sechs Fälle von Verschwendung an

Steuern - Schwerin: Der Frachter "Dömitz" liegt im Hafen von Anklam. Foto: Stefan Sauer/dpa
Der Frachter "Dömitz" liegt im Hafen von Anklam. Foto: Stefan Sauer/dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Schwerin (dpa/mv) - Die öffentliche Hand gibt die Steuern der Bürger mitunter leichtfertig aus - findet der Bund der Steuerzahler. In seinem Schwarzbuch 2022/2023 sammelt er mehr als 100 Fälle mutmaßlicher Verschwendung, darunter sechs in Mecklenburg-Vorpommern. Vier schafften es in die Print-Ausgabe, zwei weitere seien in der Online-Ausgabe zu finden, sagte die Geschäftsführerin des Bundes der Steuerzahler in MV, Diana Behr, am Mittwoch.

Viermal steht die Landesregierung im Fokus der Kritik. Darüber hinaus kritisieren die Rechercheure vom Steuerzahlerbund die Landeshauptstadt Schwerin für die geplante großzügige Nordumgehung durch Naturschutzgebiete und die Stadt Anklam für den anvisierten Kauf des schrottreifen Frachters "MS Dömitz".

Der Bund monierte, dass 910.000 Euro aus der Landeskasse für drei Sonderkonzerte des New York Philharmonic-Sinfonieorchesters in Peenemünde auf Usedom im vergangenen Sommer geflossen seien. Dies sei eine teure Imagepflege für die Landesregierung gewesen - ein nachhaltiger Effekt für den Tourismus sei von der einmaligen Aktion nicht zu erwarten, sagte Behr. Für alle Musikfestivals zusammen gebe das Land MV dieses Jahr rund 400.000 Euro aus.

Das Geld kam vom Wirtschaftsministerium. Eine Sprecherin verteidigte das Projekt. Es habe nachhaltig den kulturtouristischen Wert Mecklenburg-Vorpommerns gesteigert und eine hohe Aufmerksamkeit ermöglicht, erklärte sie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Die Medienresonanz hat einen großen Mehrwert für Mecklenburg-Vorpommern ergeben."

Bei der Vergabe eines Kredits über 88 Millionen US-Dollar an die inzwischen pleite gegangenen MV Werften habe sich das Land nicht gegen Währungsrisiken abgesichert, schildert der Steuerzahlerbund den nächsten Fall. Dieser Umgang mit Steuergeld sei grob fahrlässig. Bei der Beschlussfassung zum Kredit im Landtag hatten die 88 Millionen US-Dollar noch 72 Millionen Euro entsprochen, aktuell sind es rund 90 Millionen Euro.

Eine Sprecherin des zuständigen Wirtschaftsministeriums erklärte dazu, ein Währungskursrisiko könne nur abgesichert werden, wenn man ein bestimmtes Auszahlungs- oder Rückzahlungsdatum benennen könne. "Dies war in dem angesprochenen Darlehensvertrag jedoch nicht der Fall." MV-Werften-Eigner Genting Hongkong habe das Darlehen zwischen dem dritten Quartal 2021 bis 2025 in Abhängigkeit von den Liquiditätsbedarfen der Gruppe abrufen können. Gerichtlich konnte das Land die Auszahlung des Kredits zunächst abwehren. "Doch damit ist die Sache nicht vom Tisch. Bis heute steht das Hauptverfahren aus", macht der Steuerzahlerbund aufmerksam.

Auch das von der Landesregierung angekündigte 10-Millionen-Euro-Förderprogramm für kleine "Balkon-Solarkraftwerke" von Bürgern nennt der Bund der Steuerzahler Verschwendung. "Dieses Förderprogramm ist ein klassischer Fall von gut gemeint, aber nicht gut gemacht", heißt es. "Allein die Genehmigung nur weniger neuer Windkrafträder würde die Nennleistung von 20.000 Balkonkraftwerken bei weitem übersteigen."

Als vierten Fall mit Blick auf die Landesregierung spießte der Steuerzahlerbund eine Internet-Plattform für Geschäfte auf, die kaum genutzt werde. Aufgebaut im Corona-Lockdown, treibe das Land den Ausbau dieser Plattform weiter voran, obwohl nur rund 20 Shops aktiv seien.

In Anklam (Landkreis Vorpommern-Greifswald) sieht der Bund der Steuerzahler eine drohende Steuerverwendung: Dort plane die Stadt den Ankauf des schrottreifen Frachters für 50.000 Euro aus privater Hand. Für 4,5 bis 5,5 Millionen Euro sei der Umbau zu einem "Eventschiff" im Gespräch. Dabei stecke die Stadt tief in den roten Zahlen.

Anklams Bürgermeister Michael Galander (Initiative für Anklam) rechtfertigte gegenüber dem NDR den Kauf des Schiffes. Laut einer Machbarkeitsstudie, die 100.000 Euro gekostet habe, könne es aus dem Wasser gehoben und zu einem Kultur- und Eventschiff ausgebaut werden, sagte Galander bei NDR MV Live. Die veranschlagten rund fünf Millionen Euro für den Umbau würde die Stadt nicht aus der eigenen Tasche nehmen, sondern Fördergelder beantragen. Falls das Projekt scheitere, habe das Schiff immer noch einen Schrottwert von 70.000 Euro.

© dpa-infocom, dpa:221019-99-181798/5

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: