Steuern:Geld diktiert die Partnerwahl

Steuern: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (links) im Gespräch mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter (links) im Gespräch mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

(Foto: AFP)
  • Die Steuerkonzepte der Parteien bestimmen, wer nach der nächsten Bundestagswahl als Koalitionspartner infrage kommt.
  • Für die Zeit nach 2017 ist die Suche schwer wie lange nicht: Union und Grüne gleichermaßen haben Steuerfragen zum zentralen Wahlkampfthema gemacht.
  • Eine Analyse der Programme offenbart jedoch viele Gemeinsamkeiten - die auch Überraschungskandidaten den Weg ins Finanzministerium bereiten könnten.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Auffällig entspannt. So lässt sich die Stimmung beschreiben, die in diesen Tagen auf den Fluren des Bundesfinanzministeriums zu spüren ist. Der Sommer ist ohne Zwischenfälle verlaufen, pünktlich zum nahenden Ende der parlamentarischen Sommerpause kommt das Statistische Bundesamt mit Meldungen zu Rekordüberschüssen im Haushalt.

Und am Wochenende, da kommen die Bürger. Der weitläufige Garten ist geschmückt, die marmorne Eingangshalle glänzt. Das Gebäude in der Wilhelmstraße wird Samstag und Sonntag seine Türen für alle öffnen, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wird im Garten Fragen beantworten. Sicher wird die eine Frage dabei sein, die viele Bundesbürger umtreibt: Minister Schäuble, wann geben Sie uns unser Steuergeld zurück?

Schäuble, aufgestiegen zum Grandseigneur von Bundesregierung und CDU gleichermaßen, wird wohl antworten, dass er es war, der schon im Mai, auf einer Reise ins japanische Sendai, Steuersenkungen angeregt habe. Aber dass es natürlich die Aufgabe der nächsten Koalition ist, darauf eine präzise und verbindliche Antwort zu geben.

Parteien richten ihre Steuerpolitik an der Stammwählerschaft aus

Das mag für manchen Bürger vage klingen, ist es aber nicht. Tatsächlich lassen sich die Steuerkonzepte, die Parteien und parteinahe Organisationen bisher vorgelegt haben, auch als verschlüsselte Koalitionsaussagen lesen. "Steuerkonzepte schattieren Koalitionen vor", heißt es in Unionskreisen. Weshalb der Bundesfinanzminister die Vorschläge "extrem interessiert" verfolge.

Traditionell richten CDU, CSU, SPD, Grünen und Linken ihre Ideen zur Erbschaftsteuer, zu Vermögensteuer, Abgeltungsteuer, zu Mehrwertsteuer oder zur Einkommensteuer am politischen Kernklientel aus. Also an Geringverdienern, an Unternehmern, der Mittelschicht oder Selbstständigen.

Weshalb die Konzepte, übereinander gelegt, erkennen lassen, wer sich zu einem attraktiven Koalitionspartner für wen entwickeln - und welche Klientel von Steuersenkungen profitieren könnte. Koalitionsoptionen, heißt es etwa in grünen Regierungskreisen, würden "im Hinterkopf selbstverständlich mitgedacht".

Die Grünen haben ein Konzept vorgelegt, das zwar innerhalb der Partei zwischen Linken und Realos noch strittig ist, aber drei "klare und einfache" Schwerpunkte vorgibt. Laut Lisa Paus, Steuerexpertin der Bundestagsfraktion, kämpfen die Grünen für mehr "Lebensqualität, gegen Vermögenskonzentration und bessere Familienförderung". Sie wollen mittlere Einkommen entlasten und, das ist in den Parteiflügeln umstritten, für Superreiche eine Vermögensteuer einführen.

Die Union nimmt vor allem die MIttelschicht ins Visier

Der Wirtschaftsflügel der Union hat vor allem die Mittelschicht ins Visier genommen. "Wir haben die Mitte der Gesellschaft vernachlässigt, das müssen wir ändern", sagt Carsten Linnemann, Bundesvorsitzender der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU. Der Wirtschaftsflügel hat ein dreistufiges Konzept entwickelt, in dem alle Steuerzahlen ein bisschen mehr Geld am Monatsende übrig behalten sollen, am meisten allerdings mittlere Einkommen.

Linnemann will die Werbungskostenpauschale auf 2000 Euro verdoppeln. Vor allem aber will er den sogenannten Mittelstandsbauch abbauen. So bezeichnen Steuerfachleute eine unschöne Beule im Einkommensteuertarif unterer und mittlerer Einkommen, die bewirkt, dass dort die Steuerlast besonders schnell steigt. Die Unionspolitiker wollen den Steuerverlauf so begradigen, dass Bezieher mittlerer Einkommen bis 53 000 Euro jährlich weniger Steuern zahlen. Der Spitzensteuersatz von 42 Prozent soll erst von einem Jahres-Einkommen von 60 000 Euro an greifen.

Schließlich sollen für Kinder dieselben Grundfreibeträge gelten wie für Erwachsene - was im Grundsatz auf Familienförderung hinausläuft und anschlussfähig wäre an grüne Konzepte. Wunschpartner in einer künftigen Regierungskoalition mit der Union, sagt Linnemann im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, "ist die FDP". Und die Grünen? Er lehne sie nicht grundsätzlich als Koalitionspartner ab, sagt der CDU-Politiker. Was ihn aber störe, "ist die Geisteshaltung bei der Vermögensteuer". Die Einführung einer Vermögensteuer stehe für den Wirtschaftsflügel der Union nicht zur Debatte.

Grüne und CSU haben durchaus Gemeinsamkeiten - nur die "Reichensteuer" nicht

Die Steuer für Superreiche als Gegenfinanzierung für Steuersenkungen ist auch ein Hauptgrund, weshalb die CSU die grüne Partei als Partner ablehnt. Bayerns Finanzminister Markus Söder hat die Debatte um bundespolitische Steuerkonzepte mit dem Modell eines "Bayern-Tarifs" bereichert. Söder will eine Netto-Entlastung der Steuerzahler durchsetzen - also Lohn- und Einkommensteuern senken, ohne anderswo andere Steuern anzuheben. Das ist das Gegenteil von dem, was die Grünen wollen, sagt er.

Jenseits der Reichensteuer gibt es durchaus Gemeinsamkeiten. Auch die CSU pocht auf "eine nachhaltige Entlastung für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen". Was auch die Option offen lässt, im Bund mit der SPD weiterzuregieren. Zwar arbeiten die Sozialdemokraten noch an ihrem Steuerkonzept. Fraktionschef Thomas Oppermann hat aber bereits die Absicht bestätigt, kleine und mittlere Einkommen zu entlasten - Kernklientel also. Allgemeine Steuersenkungen, von denen auch Spitzenverdiener profitierten, seien dagegen "nicht angesagt".

Eine dritte Amtszeit? Der Finanzminister Schäuble schweigt bislang

Ob Schäuble im Herbst 2017 noch einmal in die Wilhelmstraße einziehen und eine Steuerreform aushandeln wird, hängt vom Wahlausgang und davon ab, ob sich der dann 75 Jahre alte Politiker eine dritte Amtszeit zumutet. Selbst die gerade sehr entspannte Stimmung hat weder ihn noch sein Umfeld dazu verführen können, über seine Pläne zu reden.

Im Plauderton wird stattdessen ein anderer Name über die Flure getragen - der des früheren Bundesumweltministers Jürgen Trittin: Der Grüne habe sein Ministerium damals klug strukturiert und geführt. Liefe es 2017 auf Schwarz-Grün hinaus, gebe es mindestens einen Kandidaten, der auch Finanzminister werden könnte. Grünen Parteikreisen ist diese Spekulation zumindest ein Lächeln wert. Kein Kommentar, nur so viel sei klar: "Wichtig ist es, dass wir im Bund wieder Regierungsverantwortung bekommen."

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