Steuer-Reform:SPD: Unions-Pläne sind Anschlag auf Sozialstaat

Eine radikale Steuerreform wird es in dieser Legislaturperiode nicht mehr geben. Bundesregierung, SPD und Grüne lehnten den jüngsten Steuervorschlag der Union strikt ab und nannten das Projekt unsozial und nicht bezahlbar.

(SZ vom 9.3.2004) - Heftige Kritik kam auch von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. CDU und CSU, die sich in einer turbulenten Nachtsitzung auf einen Kompromiss verständigt hatten, kündigten ihrerseits an, ohne Kompromisssignale der Bundesregierung würden sie ihr Konzept nicht als Gesetzentwurf einbringen. Trotz der Einigung auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten kritisierte auch die FDP die Steuerpläne von CDU und CSU als "halbherziges Projekt".

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bezeichnete die Vorschläge der Union als "trauriges Ende einer hoffnungsvoll begonnenen Debatte" und sagte, er sehe keine Grundlage für Gespräche mit der Opposition. Folge Deutschland den Plänen, würde das allein 2005 16 Milliarden Euro kosten und die EU-Stabilitätsziele verfehlen. Rechne man die Kosten für die CDU-Pläne zur Reform der Rente und des Gesundheitswesens hinzu, ergäben sich Budgetlöcher von bis zu 70 Milliarden Euro. Auch SPD-Generalsekretär Olaf Scholz lehnte die Pläne ab und bemängelte, künftig solle eine Krankenschwester die Steuerentlastung ihres Chefarztes finanzieren.

Linear-progessiven Tarifverlauf beibehalten

Die Präsidien von CDU und CSU hatten in der Nacht ihren Steuerstreit offiziell beigelegt. Sie wollen im Fall eines vorzeitigen Regierungswechsels ein Steuersofortprogramm mit Sätzen zwischen 12 und 36 Prozent auf den Weg bringen, den bisherigen linear-progressiven Tarifverlauf jedoch beibehalten und viele Vergünstigungen streichen. Bei einem Machtwechsel 2006 wollen sie ein radikaleres Modell mit Stufentarifen zwischen 12 und 36 Prozent durchsetzen, wobei Details noch offen sind.

Auf Ablehnung stießen auch die Pläne von CDU und CSU zur Reform des Arbeits- und Tarifrechts, die in der Nacht nach heftigem internen Streit deutlich abgemildert worden waren. Nach heftigem Widerstand vieler westdeutscher CDU-Spitzenpolitiker ließ die Union die Forderung fallen, in den ersten vier Jahren nach einer Neuanstellung den Kündigungsschutz voll aufzuheben. Auch andere Ideen zur Lockerung des Tarifrechts wurden nach Protest aufgegeben.

Die Parteivorsitzenden von CDU und CSU, Angela Merkel und Edmund Stoiber, bezeichneten die Arbeitsrechtpläne als klare Alternative zu dem Programm von Rot-Grün. Die Kritiker der ursprünglichen Fassung zeigten sich zufrieden mit ihrem Erfolg. NRW-Landeschef Jürgen Rüttgers sagte der Süddeutschen Zeitung: "Die Union bleibt die Partei der sozialen Marktwirtschaft und der sozialen Partnerschaft."

"Dramatischer Rechtsruck"

Politiker von SPD und Grünen sprachen dagegen von einem Anschlag auf den Sozialstaat. Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte, die Union wolle offensichtlich eine andere Republik. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer, sprach von einem "dramatischen sozialpolitischen Rechtsruck" der Union. DGB-Chef Michael Sommer warf Merkel vor, die einstige britische Premierministerin Margaret Thatcher kopieren zu wollen. Rügen und Mahnungen erhielten CDU und CSU aber auch aus der Wirtschaft. Industriepräsident Michael Rogowski und Mittelstandsverbandschef Mario Ohoven gingen die Pläne der Union nicht weit genug. Sie seien "nun wirklich nicht weltbewegend, und es wird den Arbeitslosen nicht helfen", sagte Rogowski im Deutschlandfunk.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: