Sterbehilfe:Juristische Grauzone

In Europa ist die Sterbehilfe unterschiedlich geregelt - bereits psychische Leiden rechtfertigen etwa in Belgien das Töten auf Verlangen. Ein Überblick.

SCHWEIZ

In der Schweiz ist aktive Sterbehilfe gesetzlich verboten. Beihilfe zu Selbstmord wird nicht bestraft - es sei denn, der Sterbehelfer verfolgt eigennützige Motive. Details, wie weit passive Sterbehilfe gehen darf, regelt das Gesetz nicht.

Dies nutzen Organisationen wie Exit und Dignitas. Sie bieten Menschen ihre Hilfe beim Gang in den Tod an - auch Ausländern, die in der Schweiz sterben wollen. Die Euthanasie-Organisationen sind außerordentlich umstritten.

Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften schlägt deshalb vor, Sterbehilfe-Vereine unter staatliche Aufsicht zu stellen, da sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegten. Die Akademie hat genaue Richtlinien zur Sterbehilfe herausgegeben. Darin ist auch festgehalten, dass Wachkoma-Patienten ein Recht auf adäquate Pflege hätten. Dazu gehöre auch die Versorgung mit Nahrung.

Die Ärzte in der Schweiz halten sich in der Regel an die Vorgaben der Akademie. Die Amerikanerin Terri Schiavo würde vermutlich weiter künstlich ernährt, wenn sie in einem Schweizer Krankenhaus läge.

Juristische Grauzone

FRANKREICH

Die aktive Sterbehilfe ist in Frankreich noch immer eine juristische Grauzone, obwohl das Parlament im November fast einstimmig ein Gesetz verabschiedet hat, das Todkranken ein Recht auf ein würdiges Ableben zugesteht.

Darin wurde auch festgeschrieben, dass die medizinische Behandlung nicht "in unvernünftiger Weise" fortgesetzt werden müsse. Schon zuvor war es eine in Frankreich weit verbreitete Praxis, hoffnungslos und unheilbar Kranken weitere Leiden zu ersparen, indem lebensverlängernde Maßnahmen von den Ärzten abgebrochen wurden.

Die Debatte war durch den Tod von Vincent Humbert ausgelöst worden. Der junge Mann hatte Präsident Jacques Chirac angefleht, ihn sterben zu lassen. Ganz Frankreich war erschüttert, als die Mutter öffentlich bekannte, aktive Sterbehilfe geleistet zu haben.

Gesundheitsminister Philippe Douste-Blazy will Ärzten nun ermöglichen, "im Einverständnis mit Patienten oder deren Angehörigen" in bestimmten Fällen auf eine weitere Therapie zu verzichten, auch wenn dies zu einer Lebensverkürzung führt.

Juristische Grauzone

NIEDERLANDE

Wäre Terri Schiavo eine Niederländerin, so würde die künstliche Ernährung für sie vermutlich abgesetzt werden. Als erstes Land der Welt haben die Niederlande vor zwei Jahren ein Gesetz über die aktive Sterbehilfe eingeführt, nach dem Ärzte straffrei ausgehen, wenn sie das Leben eines Patienten unter Beachtung mehrerer Sorgfaltskriterien und auf dessen ausdrücklichen schriftlichen Wunsch beenden.

Selbst ohne ausdrückliche Bitte der Patienten wurde in den Niederlanden in den vergangenen Jahren das Leben von einer Vielzahl unheilbar Kranker aktiv beendet, ohne dass die Ärzte gerichtlich dafür belangt wurden.

Die künstliche Ernährung einzustellen, würde in den Niederlanden jedoch nicht als Euthanasie eingestuft, sondern als natürlicher Tod. Mehrere Gerichte haben geurteilt, dass die Entscheidung hierfür in den Händen der Ärzte liege.

Als in einem Zivilverfahren in Almelo ein Ehemann beantragte, nach 15 Jahren die künstliche Ernährung seiner Frau zu stoppen, lehnten die Richter dies ab und verwiesen auf die Entscheidungsfreiheit der Ärzte.

Juristische Grauzone

BELGIEN

Ähnlich sieht es in Belgien aus, wo seit September 2002 aktive Sterbehilfe in einem Gesetz geregelt ist, das noch liberaler ist als im Nachbarland Niederlande. Bereits dauerhaftes unerträgliches physisches oder psychisches Leiden, ohne dass der Tod zeitlich absehbar ist, wäre eine ausreichende Grundlage zum Töten auf Verlangen.

Wenn ein Patient allerdings nicht selber in der Lage ist, seinen Todeswunsch schriftlich zu äußern, kann dies - anders als in den Niederlanden - eine Person seines Vertrauens übernehmen; übertragen auf den Fall Schiavo wäre dies der Ehemann, der sich auf den früher geäußerten mündlichen Wunsch seiner Frau beruft.

Allerdings geht es in diesem Fall ohnehin nicht um aktives Töten, sondern um die Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen, was in Belgien erlaubt ist.

In Dänemark, Großbritannien, Österreich und Schweden ist die aktive Sterbehilfe verboten, Patienten haben allerdings ausdrücklich das Recht, lebenserhaltende Maßnahmen auf eigenen Wunsch hin zu verweigern.

(SZ vom 24.3.2005)

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: