Süddeutsche Zeitung

Sterbehilfe in Deutschland:Tod und Kommerz

Ein neues Gesetz soll gewerbsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellen. Ein Passus über die Rolle der Ärzte empört die Mediziner. Doch das Justizministerium spricht von einem Missverständnis.

Nina von Hardenberg und Wolfgang Janisch

Das Justizministerium hat seinen Gesetzesentwurf zur Sterbehilfe gegen massive Kritik von Ärzten verteidigt. "Es wird nicht mehr erlaubt als bislang", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler (FDP), am Mittwoch. "Künftig soll der bestraft werden, der Hilfe zum Suizid anbietet, um damit Gewinne zu erzielen." Für Ärzte ändere sich nichts.

Das geplante Gesetz soll Menschen bestrafen, die Geld damit verdienen, anderen beim Suizid zu helfen. Ihnen droht künftig eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Gleichzeitig sollen aber die Vermittler eines solchen Angebots straffrei bleiben, wenn sie selbst kein wirtschaftliches Interesse verfolgen und dem Suizidwilligen nahe stehen - genannt werden in der Begründung des Entwurfs neben Angehörigen auch Ärzte und Pfleger, "wenn eine länger andauernde persönliche Beziehung zu dem Kranken entstanden ist".

Gerade die Formulierung über die Rolle der Ärzte hatte am Dienstag aber zu Verwirrung und Kritik geführt. Die Bundesärztekammer etwa befürchtet, dass durch diesen Passus der Arzt zum Suizidhelfer gemacht werde. "Als Sterbehelfer stehen wir Ärzte nicht zur Verfügung", betonte Kammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery. Ärztinnen und Ärzte hätten Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Tatsächlich verbietet es schon die Berufsordnung den Medizinern, ihren Patienten ein tödliches Gift zu beschaffen, selbst wenn sie darum gebeten werden.

Ähnlich äußerte sich auch die Vorstandsvorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes, Birgit Weihrauch. Durch eine solche Regelung werde der Sterbehilfe "Tor und Tür geöffnet", warnte sie. Wichtig sei es, Menschen am Ende ihres Lebens fürsorglich zu begleiten und ihre Schmerzen zu lindern, dann verschwinde der Sterbewunsch in vielen Fällen von alleine. Kritik an den Gesetzesplänen kam aber auch aus der Union. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn bezeichnete den Entwurf als inakzeptabel.

Die ganze Aufregung dürfte allerdings auf einem Missverständnis beruhen. Der geplante Paragraf 217 sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für denjenigen vor, der "absichtlich und gewerbsmäßig einem anderen die Gelegenheit zur Selbsttötung gewährt". Gemeint sind damit die Betreiber von Sterbehilfeorganisationen, und zwar auch solche, die ihre kommerziellen Absichten mehr oder minder geschickt verschleiern, zum Beispiel über einen Verein, der Mitgliedsbeiträge erhebt. Zu ihnen würde etwa der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch zählen, der in der Vergangenheit mehrmals Empörung erntete, etwa als er 2008 eine Selbsttötungsmaschine vorstellte, mit der sich ein Sterbewilliger angeblich ein tödliches Gift spritzen konnte. Kusch soll bis zu 8000 Euro pro Suizid verlangt haben.

Ärzte gehören nicht zum Kreis gewerbsmäßiger Sterbehelfer

Ärzte gehören ausweislich der Begründung des Entwurfs, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, ausdrücklich nicht zum Kreis gewerbsmäßiger Sterbehelfer, selbst wenn sie dem Patienten im Einzelfall eine tödliche Dosis auf den Nachttisch stellen sollten. Denn im Normalfall handelten Ärzte nicht mit Gewinnerzielungsabsicht: Sie "erhalten ihr Gehalt oder Honorar gerade nicht als Gegenleistung für Suizidhilfeleistungen, sondern für die Durchführung medizinischer Behandlungen", heißt es in dem Entwurf.

Dass die Mediziner nun gleichwohl in dem neuen Entwurf eine Rolle spielen, hat damit zu tun, dass man verhindern will, dass Ärzte durch das Gesetz ungewollt in rechtliche Schwierigkeiten kommen. Nach dem neuen Paragrafen kann sich wegen Beihilfe strafbar machen, wer einen lebensmüden Patienten an eine gewerbsmäßige Sterbehilfeorganisation vermittelt - selbst wenn er ohne eigene kommerzielle Absichten handelt.

Deshalb erklärt der Entwurf denjenigen für straffrei, der dem Patienten aus emotionaler Anteilnahme den Zugang zu einem solchen Verein erleichtert. Die liebende Ehefrau, die ihren Mann in die Schweiz fährt, soll ebenso vor Strafe geschützt sein wie der "langjährige Hausarzt" oder Pfleger, der dem leidenden Patienten den Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation herstellt.

In Wahrheit verschärft der Entwurf also die Strafbarkeit von Ärzten. Denn für den normalen Klinikarzt ohne besondere Beziehung zum Patienten bedeutet die Regelung im Umkehrschluss: Wenn er ihn an kommerzielle Sterbehelfer vermittelt, macht er sich strafbar - erstmals.

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SZ vom 02.08.2012/mike
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