Urteil:Verfassungsgericht kippt Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts bei einer Anhörung zur Sterbehilfe im April. (Foto: dpa)
  • Geschäftsmäßige Sterbehilfe darf in Deutschland nicht verboten werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.
  • Nach Ansicht der Richter garantiert das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Möglichkeit, dafür Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen. Dies gelte nicht nur dann, wenn ein Mensch unheilbar krank sei.
  • Das Urteil stellt einen wichtige Wegmarke in der seit Langem schwelenden Diskussion um die Sterbehilfe dar.

Das Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Die Richter entschieden am Mittwoch, der entsprechende Paragraf 217 im Strafgesetzbuch verstoße gegen das Grundgesetz. Er sei damit nichtig.

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen. Das sagte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, am Mittwoch bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Paragraf 217 stehe dem entgegen. Daher erklärten die Richter das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für nichtig.

Die Verfassungsrichter hatten sich vorgenommen, eine Antwort auf eine existenzielle Frage zu geben. Es ging darum, wie weit die Selbstbestimmung von Menschen reicht, die ihrem Leben ein Ende setzen wollen.

Nicht nur bei unheilbarer Krankheit

Voßkuhle sagte, der Gesetzgeber könne Suizidprävention betreiben und palliativmedizinische Angebote ausbauen. Die Straflosigkeit der Sterbehilfe stehe aber nicht zu seiner freien Disposition. Ohne Dritte könne der Einzelne seine Entscheidung zur Selbsttötung nicht umsetzen. Dies müsse rechtlich auch möglich sein. Einen Anspruch auf Sterbehilfe gebe es hingegen nicht. Das Urteil verpflichtet also keinen Arzt, gegen seine Überzeugung Sterbehilfe zu leisten.

Nach Voßkuhles Worten hat der Gesetzgeber "ein breites Spektrum an Möglichkeiten", die Suizidhilfe zu regulieren. Die Hilfe dürfe aber nicht davon abhängig gemacht werden, ob zum Beispiel eine unheilbare Krankheit vorliege. Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben bestehe in jeder Lebensphase eines Menschen. "Wir mögen seinen Entschluss bedauern, wir dürfen alles versuchen, ihn umzustimmen, wir müssen seine freie Entscheidung aber in letzter Konsequenz akzeptieren."

Wichtige Wegmarke

Eine Gruppe von Ärzten, Sterbehelfern und Schwerkranken hatte gegen Paragraf 217 StGB geklagt, der seit 2015 gilt. Verstöße gegen das Sterbehilfe-Verbot werden demnach mit einer Geldstrafe oder einer bis zu dreijährigen Haftstrafe geahndet. Dies kann zum Beispiel Ärzte treffen oder in Vereinen organisierte Sterbehelfer.

Insgesamt sechs Verfassungsbeschwerden waren gegen den Paragrafen eingelegt worden. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte im April 2019 zwei Tage darüber verhandelt. Beobachter rechnen damit, dass das Urteil die Debatte um Sterbehilfe nicht beendet, aber einen wichtigen Markstein darstellt.

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