In die Debatte um eine gesetzliche Neuregelung des assistierten Suizids ist wieder Bewegung gekommen. Eine fraktionsübergreifende Parlamentariergruppe um die Grünen-Abgeordneten Renate Künast und Katja Keul will an diesem Montag einen neuen Vorschlag vorstellen. Im Kern differenziert der Gesetzentwurf, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zwischen den Beweggründen, die ein Mensch für seinen Sterbewunsch anführt. Es solle danach differenziert werden, ob die Betroffenen ihren Tod wegen einer schweren Krankheit anstreben oder aus anderen Gründen.
"Im ersteren Fall soll der Ärzteschaft bei der Prüfung, ob das Hilfsmittel zur Verfügung gestellt wird, eine entscheidende Rolle zukommen", heißt es in dem Papier, "während im letzteren Fall höhere Anforderungen errichtet werden und der Ärzteschaft keine zentrale Rolle zugewiesen wird". Zu den höheren Anforderungen gehöre eine schriftliche Dokumentation, dass der Sterbewunsch auf freiem Willen beruhe und dauerhaft sei. Zudem müssten sich die Sterbewilligen von einer zugelassenen und unabhängigen Beratungsstelle zweimal im Abstand von mindestens zwei und höchstens zwölf Monaten beraten lassen.
Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben müsse endlich auf rechtssichere Wege geleitet werden, sagt der Grünen-Rechtspolitiker Lukas Benner, der den Antrag mit einbringt. Neben mehreren Grünen-Politikern unterstützen unter anderem auch die SPD-Abgeordneten Nina Scheer und Edgar Franke, Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium, sowie die Linken-Politikerin Cornelia Möhring den Antrag.
Es gibt zwei weitere Vorschläge anderer Parlamentariergruppen
Der Wunsch zu sterben sei eine Entscheidung des Einzelnen, die auf dem "ureigenen Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz" beruhe, so Benner. "Sie kann derart vielfältig sein, dass Staat und Gesellschaft diese unabhängig von Wertvorstellungen, religiösen Geboten oder gesellschaftlichen Leitbildern zu respektieren haben." Das Strafgesetzbuch wäre für diese Regelungen der falsche Ort, zudem sehe man die Gefahr, dass Betroffene stigmatisiert würden. Man wolle den rechtssicheren Zugang zu Medikamenten ermöglichen. "Denn machen wir uns nichts vor", sagt Benner: "All das findet bereits statt. Unsere Aufgabe ist es daher, diese Vorgänge aus dem Klandestinen herauszuholen und klar zu regeln."
Eine weitere Parlamentariergruppe um die FDP-Politikerin Katrin Helling-Plahr hatte Ende Februar angekündigt, einen Gesetzentwurf vorlegen zu wollen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte Helling-Plahr gemeinsam mit dem jetzigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Petra Sitte von der Linken eine liberale Regelung außerhalb des Strafrechts vorgelegt, wonach es Ärzten erlaubt werden solle, tödlich wirkende Mittel zum Zweck der Selbsttötung zu verschreiben. Bedingung wäre ebenfalls eine Beratung. Lauterbach werde als Gesundheitsminister nicht mehr bei der Ausgestaltung des neuen Antrags mitwirken, erklärte Helling-Plahr.
Schon im Januar hatte eine dritte Parlamentariergruppe aus Abgeordneten von SPD, FDP, Grünen, Union und Linken eine weitere Initiative vorgestellt. Danach soll der geschäftsmäßige assistierte Suizid weiterhin strafbar sein, aber unter engen Bestimmungen straflos bleiben. Zu den Initiatoren gehören der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci, Benjamin Strasser (FDP) und Ansgar Heveling (CDU). Sie warnen vor einer "gefährlichen Schieflage", sollte der Zugang zu assistiertem Suizid leichter sein als der zu palliativer Versorgung und Psychotherapie.
Bereits vor zwei Jahren, im Februar 2020, hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt und eine gesetzliche Neuregelung verlangt. Helling-Plahr plädierte dafür, noch vor Ostern eine Orientierungsdebatte im Parlament abzuhalten. "Jetzt gilt es, keine Zeit mehr zu verlieren", sagte sie.