Sterbehelfer Roger Kusch:Gestatten: Dr. Tod

Roger Kusch, langjähriger Christdemokrat und einstiger Hamburger Justizsenator, liebt offenbar Skandale. Konsequent verfolgt er seine dritte Karriere als Sterbehelfer - und provoziert die Gesellschaft.

Dorothea Grass

Nein, Roger Kusch ist nicht von der Bildfläche verschwunden. Zwar scheiterte er bei den Hamburger Bürgerschaftswahlen 2008 mit seiner Partei HeimatHamburg, woraufhin sich dieser seltsame Klub auflöste, doch die Lust solcher skandalträchtigen Figuren an der Öffentlichkeit bleibt.

Sterbehelfer Roger Kusch: Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch auf einer Pressekonferenz in Hamburg.

Der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch auf einer Pressekonferenz in Hamburg.

(Foto: Foto: ddp)

Öffentlich erklärte der langjährige Christdemokrat (1972 bis 2006) flott im April, sich fortan nur noch der Jurisprudenz zu widmen. Nun aber tritt er publikumswirksam wieder auf - in einer höchst umstrittenen Angelegenheit.

Am heutigen Montag gab er eine Pressekonferenz zu einem Vorgang vom vergangenen Samstag: Da hatte der ehemalige Hamburger Senator Roger Kusch nach eigenen Angaben in einem Fall Sterbehilfe geleistet - allerdings ohne seinen Kaliumchlorid-Sterbehilfeautomaten, den er im September 2007 in einem Hamburger Seniorenheim vorgestellt hatte. Auf diesen Auftritt hin war der Vorsitzende des Vereins Roger Kusch Sterbehilfe e.V. vom seinerzeitigen Hamburger SPD-Bürgermeisterkandidaten Michael Naumann zum Tabu erklärt worden.

Doch wie das mit Tabuthemen nun einmal ist - schon der Begriff verströmt einen seltsamen Reiz. Und bei aller möglichen Abscheu möchte man doch etwas über die Geschichte oder den Menschen hinter der Geschichte wissen.

Roger Kusch, 53 Jahre alt und gebürtiger Stuttgarter, hat eine steile Karriere hinter sich. Nach dem Jurastudium in Tübingen, Hamburg und Freiburg/Breisgau und seiner Promotion zum Thema "Der Vollrausch" wurde er 1983 Regierungsassessor in der Vollzugsanstalt Bruchsal, bald darauf Regierungsrat in der JVA Adelsheim. 1985 wurde er am Amtsgericht Karlsruhe Straf- und Jugendrichter.

Ein Jahr später wechselte der CDU-Mann bereits ins Bundesjustizministerium, wo er das Referat Strafprozessrecht übernahm. Es folgen Stationen bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart (Wirtschafts- und Umweltdelikte, Strafrecht und öffentliches Recht), im Bundeskanzleramt (Ministerialrat für das Referat "Innere Sicherheit") und beim Bundesgerichtshof (Oberstaatsanwalt).

Seine politische Karriere entwickelte sich parallel. 1972 Eintritt in die CDU, 1990 Mitglied des Bundestags, 2000 Abgeordneter der oppositionellen CDU bei der Hamburger Bürgerschaft und in Sicherheitsfragen Berater des damaligen Spitzenkandidaten Ole von Beust. Im Herbst 2001 wurde Roger Kusch unter von Beust als Präses der Justizbehörde und des Senatsamts für Bezirksangelegenheiten in Hamburg vereidigt.

Im März 2006 dann wurde Kusch von seinem Chef, dem Studienfreund und Bürgermeister von Beust, entlassen. Karriereknick? Absturz? Oder die logische Konsequenz seiner Fehltritte? Kusch war schon länger dafür bekannt, für Aufsehen, Skandälchen und ausgewachsene Skandale zu sorgen.

Der Welt zum Beispiel erschien er als "lächelnde Guillotine". Naumann nannte ihn "einen lebenden Skandal".

Bereits in seiner Zeit in der Hamburger Opposition galt Kusch als Hardliner. Er forderte ein konsequentes Vorgehen gegen Graffitisprayer, wollte die Auflösung der offenen Drogenszene in Hamburg und trat für die geschlossene Unterbringung für jugendliche Intensivtäter ein. Als Justizsenator plädierte Kusch für einen verschärften Strafvollzug.

Um sich Anregungen für eine Modernisierung des Hamburger Strafvollzugs zu holen, unternahm er 2002 Reisen zu Gefängnissen in den USA und Russland, die für ihren harten Vollzug bekannt waren.

Anlass zu Kritik bot auch seine Personalpolitik. Im Sommer 2003 wurde ein parlamentarischer Untersuchungsaussschuss einberufen, weil Kusch die Gattin eines Rathausredakteurs der Bild-Zeitung in einer leitenden Position angestellt hatte. Trotz mangelnder Qualifikation, aber im Dienste einer positiven Berichterstattung - so der Vorwurf. In einem anderen Fall hatte er seinem Pressesprecher ein Richteramt verschafft und auf eine Kontrahentin eingewirkt, sich von ihrem Posten weg auf eine andere Stelle zu bewerben.

Skandale pflastern seinen Weg. Sie passen so gar nicht zum Hamburger Establishment.

Im August 2003 kam es schließlich zum unfreiwilligen Outing des Roger Kusch: Ronald Schill, damals Zweiter Hamburger Bürgermeister, versuchte Ole von Beust zu erpressen - mit der Drohung, eine angebliche Liebesbeziehung des Stadtvaters zu seinem Justizsenator öffentlich zu machen. Beust feuerte den Rechtspopulisten, Kusch bekannte sich danach zu seiner Homosexualität.

Seinem weiteren Aufstieg in der Politik verhinderte die fortgesetzte Lust an Alleingängen; damit brachte er sich in den eigenen Reihen ins Abseits. So forderte Kusch unter anderem die Abschaffung des Jugendstrafrechts oder verteidigte im Einsatz gegen Drogensüchtige Methoden wie Brechmittel. Insbesondere seine wiederholte Forderung nach Legalisierung der Sterbehilfe stieß in seiner Partei und in Kirchenkreisen auf Ablehnung.

Zum Verlust seines Senatorenpostens führte schließlich die so genannte Protokoll-Affäre im März 2006: Kusch war unerlaubterweise in den Besitz vertraulicher Unterlagen eines Untersuchungsausschusses zu einem geschlossenen Heim für jugendliche Straftäter gelangt - und hatte diese Unterlagen, ebenfalls widerrechtlich, weitergegeben.

Kurz nach seiner Entlassung trat Kusch aus der CDU aus und gründete Anfang Mai 2006 eine eigene Partei: HeimatHamburg. Auf dem Programm standen seine schon vorher formulierten Ziele, aber auch Punkte wie der Verzicht auf das Antidiskriminierungsgesetz oder die Abschaffung des generellen Leinenzwangs für Hunde.

Auch nach dem Auflösen seiner Partei im Frühjahr, verfolgt er die Legalisierung der Sterbehilfe weiter. Man könnte sogar sagen: die Sterbehilfe ist die dritte Karriere des Dr. Roger Kusch. Er betreibt sie mit bekanntem Ehrgeiz und allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen: Öffentlichkeit, Geschäftssinn und juristischer Schlupflochsuche.

Dass er aufgrund seiner Mitteilung, er habe am Samstag bei einer 79-jährigen Frau aus Würzburg Sterbehilfe geleistet, mit juristischen Konsequenzen rechne, gehört zur Kühnheit seiner öffentlichen Inszenierung dazu. Er fordert geradezu eine Anzeige heraus - ein Jurist, der aus der Spur des Lebens geraten ist.

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