Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:Weil legt eigenes Modell für Gaspreisbremse vor

Niedersachsens SPD-Ministerpräsident will, dass der Staat die Hälfte der Preissteigerung übernimmt, die andere Hälfte sollen die Verbraucher tragen. Er fordert dafür eine Lockerung der Schuldenbremse.

Von Peter Fahrenholz

Unmittelbar vor der ursprünglich für diesen Mittwoch geplanten Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (ebenfalls SPD) ein eigenes Modell für eine Gaspreisbremse vorgelegt - und damit den Druck auf die Bundesregierung erhöht. Weil dringt auf eine schnelle Lösung. "Das ist überfällig", sagte Weil zur Süddeutschen Zeitung. Am 9. Oktober wird in Niedersachsen der Landtag neu gewählt. Das Treffen der MPK mit Scholz ist auf Wunsch des Kanzlers wegen seiner Corona-Erkrankung auf kommende Woche verschoben.

Das Modell, das Weil zusammen mit seinem Energieminister Olaf Lies (SPD) erarbeitet hat, sieht vor, dass der Verbrauch des Vorjahres zur Grundlage für die Berechnungen genommen wird, da dieser bei allen Verbrauchern feststeht. Von der Preissteigerung soll dann die Hälfte der Staat übernehmen, die andere Hälfte sollen die Verbraucher tragen, die ihren Anteil durch eigene Sparanstrengungen dann aber verringern können. "Das Modell belohnt die, die mehr Energie sparen", sagte Lies.

"Es ist zum ersten Mal ein Modell, bei dem die Praktiker sagen, so kann es funktionieren", sagte Weil. Denn nach Aussage der beiden SPD-Politiker kann ihr Plan jederzeit flexibel angepasst werden. "Der Vorteil unseres Modells ist, dass es auch bei veränderten Gaspreisen greift", sagte Lies. Die Höhe des Bonus, den der Staat übernimmt, würde dann je nach Preisentwicklung verändert.

Ziel des Modells sei es, "einen praktikablen Vorschlag vorzulegen, von dem die Leute sofort etwas haben", sagte Weil. Denn statt monatelang auf nachträgliche staatliche Zuschüsse zu warten, sollen die Energieversorger den staatlichen Bonus sofort an die Verbraucher weitergeben. "Die Energieversorger können das sofort in die Abschlagszahlungen einbeziehen", sagte Lies der SZ.

Weil und Lies haben ihren Vorschlag nach eigenen Worten von mehreren kleineren und größeren Energieversorgern prüfen lassen und von dort positive Rückmeldungen erhalten. "Die Praktiker in der Energiewirtschaft sagen, ja, das können wir schnell umsetzen", sagte Weil. Für die Menschen sei es wichtig, dass staatliche Hilfen möglichst unbürokratisch und schnell bei ihnen ankämen. "Wir müssen einfacher und besser verständlich werden", so Weil.

Schuldenbremse lockern - "Wann, wenn nicht jetzt?"

Auch bei Weils Modell ist indes die entscheidende Frage, wie der milliardenschwere staatliche Anteil finanziert werden soll. "Natürlich muss am Ende des Tages der Staat dafür einstehen", sagte Weil. Dies werde nicht ohne zusätzliche Schulden gehen. "Ich halte es für ausgeschlossen, das ohne zusätzliche Kredite zu finanzieren." Niedersachsens Regierungschef plädiert deshalb klar für eine erneute Lockerung der Schuldenbremse. Das aber lehnt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bisher strikt ab. Es könne doch kein Zweifel bestehen, dass eine Notlage vorliege, die eine solche Ausnahme erlaube, sagte Weil weiter. "Wann, wenn nicht jetzt?" Wenn der Staat jetzt nicht interveniere, werde es am Ende weit teurer werden.

Um die soziale Komponente zu stärken, ist es bei der Einführung eines Preisdeckels, von dem alle profitieren würden, nach Weils Worten nötig, die zusätzlichen Hilfsprogramme des Staates auf diejenigen zu konzentrieren, die die Hilfen auch wirklich bräuchten. Ohne zusätzliche Belastungen werde sich die Krise aber nicht bewältigen lassen. "Wir werden am Ende keine Lösung haben, die die Bürgerinnen und Bürger und den Staat gleichermaßen entlastet", sagte Weil.

Die Ministerpräsidenten werden sich, wie geplant, an diesem Mittwoch treffen. "Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder arbeiten an diesem Mittwoch in ihrer #MPK wie geplant an Lösungen, wie unser Land in der Energiekrise gut durch Herbst und Winter kommt", schrieb Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf Twitter. Der MPK-Vorsitz Nordrhein-Westfalens endet zum Monatsende und geht dann auf Niedersachsen über. Damit wird Weil den Vorsitz der Länder-Runde übernehmen, Wüst wird Co-Vorsitzender. Die Beratungen mit dem Kanzler sind nun auf den 4. Oktober verschoben. Weil wird aber wohl trotzdem sein Modell zur Gaspreisbremse an diesem Mittwoch in die Gespräche mit seinen Länderkolleginnen und -kollegen einbringen. Seine eigene Partei sieht er in der Sache hinter sich. "Die SPD ist ganz klar für eine Einführung eines Preisdeckels", sagte er.

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