Süddeutsche Zeitung

Getöteter Regierungspräsident:Stephan E. gesteht Mord an Walter Lübcke

  • Der tatverdächtige Stephan E. hat den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke gestanden - das teilte nach Informationen von NDR, WDR und SZ der Generalbundesanwalt den Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses mit.
  • Grund für die Tat sei Stephan E.s Empörung über Lübckes Äußerungen zur Aufnahme von Geflüchteten im Jahr 2015 gewesen.
  • E. behauptet, er habe alleine gehandelt und keine Mittäter und Mitwisser gehabt.
  • Dem Generalbundesanwalt zufolge sind "viele Asservate" bei Stephan E. beschlagnahmt worden.
  • Innenminister Seehofer betonte, damit sei die "Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen".

Von Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke

Der tatverdächtige Stephan E. hat den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gestanden. In einer Vernehmung am Dienstag gab er zu, den CDU-Politiker erschossen zu haben. Das teilte der Generalbundesanwalt nach Informationen von NDR, WDR und SZ den Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses mit. Der Kasseler Regierungspräsident Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf der Terrasse seines Wohnhauses im hessischen Wolfhagen-Istha niedergeschossen worden. Die Bundesanwaltschaft stuft das Verbrechen als politisches Attentat mit rechtsextremem Hintergrund ein.

E. behauptet, er habe alleine gehandelt und keine Mittäter und Mitwisser gehabt. Die Polizei hat allerdings Hinweise auf weitere Täter. Bundesinnenminister Horst Seehofer sprach am Rande der Sondersitzung des Innenausschusses von einem schnellen Ermittlungserfolg, betonte aber: "Damit ist die Aufklärung dieses politischen Mordes noch nicht abgeschlossen."

Nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung bat der Tatverdächtige gestern in der Haft überraschend um ein Gespräch mit der Polizei. Zuvor hatte er hartnäckig geschwiegen. Es kam zur Vernehmung, Stephan E. legte sein Geständnis ab. Demnach war er 2015 bei der Bürgerversammlung anwesend, als Walter Lübcke seine Äußerungen zur Flüchtlingspolitik machte, die in rechten Kreisen Empörung, Hass und Bedrohungen auslösten. Nach der Tat soll Stephan E. zunächst noch versucht haben, sich ein Alibi zu verschaffen: Ein Arbeitskollege sollte erklären, dass die beiden in der Tatnacht zusammen gewesen seien. Um spätere Ermittlungen zu erschweren, habe E. zudem vor der Tat sein Handy aus- und erst am Tag danach wieder eingeschaltet.

Lübcke war bereits im Jahr 2015 zum Ziel rechter Drohungen geworden. Bei einer Bürgerversammlung zu einer Erstaufnahme-Unterkunft hatte der Kasseler Regierungspräsident gesagt, dass es jedem freigestellt sei, Deutschland zu verlassen, der mit einer auf christlicher Nächstenliebe beruhenden Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sei. Ein Video der Veranstaltung wurde im Internet veröffentlicht, danach erhielt Lübcke Morddrohungen. Im Februar 2019 kursierte das Video plötzlich erneut auf Blogs.

Die Tatwaffe wurde bislang nicht gefunden

Nach Informationen von NDR, WDR und SZ teilte Generalbundesanwalt Peter Frank den Mitgliedern des Bundestags-Innenausschusses am Mittwochmorgen mit, dass man "viele Asservate" bei Stephan E. beschlagnahmt habe. Die Tatwaffe sei allerdings nicht darunter gewesen. Es handle sich dabei um eine Pistole des Kalibers 9 Millimeter. Weiteres Täterwissen wolle man zum aktuellen Zeitpunkt nicht preisgeben.

Mögliche Kontakte des mutmaßlichen Attentäters zu "Combat 18", dem militanten Arm des Neonazi-Netzwerkes "Blood & Honour", seien weiterhin Gegenstand der Ermittlungen, so der Generalbundesanwalt. Frank betonte, die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft sei "durch das Geständnis nicht entfallen". Das bedeutet, dass offenbar weiterhin von einem politisch motivierten Mord ausgegangen wird.

Innenminister Seehofer kündigte an, sein Ministerium werde prüfen, ob "Combat 18" verboten werden könne. Die Organisation ist bislang nicht vom Verbot des Netzwerkes "Blood & Honour" betroffen, obwohl sie als dessen militanter Arm gilt.

Stephan E. ist vielfach für Gewaltdelikte vorbestraft, im Jahr 1995 war er rechtskräftig wegen eines versuchten Bombenattentats auf eine Flüchtlingsunterkunft bei Wiesbaden zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Auch in den darauffolgenden Jahren kam er vielfach wegen rassistisch motivierter Gewaltdelikte vor Gericht. Er soll im Umfeld der hessischen NPD und der Autonomen Nationalisten tätig gewesen sein. Der Name Stephan E. fiel auch im Zuge der Aufarbeitung der NSU-Mordserie im Hessischen Landtag.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, soll den Abgeordneten im Innenausschuss mitgeteilt haben, die Erkenntnisse des Nachrichtendienstes zu Stephan E. lägen schon einige Jahre zurück. Danach sei der mutmaßliche Mörder des CDU-Politikers nicht mehr auffällig gewesen. Man prüfe derzeit intensiv, ob es nicht doch noch neue Hinweise aus den vergangenen Jahren gebe. Zuletzt war Stephan E. nicht als rechtsextremer Gefährder eingestuft.

Haldenwang teilte dem Innenausschuss zudem mit, es habe keine Zusammenarbeit seiner Behörde mit Stephan E. gegeben, der Attentäter sei demnach kein V-Mann gewesen. Sein Name tauche zwar in Akten auf, eine eigene Personenakte zu Stephan E. sei im Bundesamt für Verfassungsschutz allerdings nicht vorhanden.

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