Süddeutsche Zeitung

Stellvertretender US-Justizminister:Rosenstein soll Abhöraktion gegen Trump vorgeschlagen haben

  • Der amerikanische Vize-Justizminister Rosenstein gerät in Bedrängnis: Er soll 2017 vorgeschlagen haben, Trump abzuhören.
  • Rosenstein dementiert den Abhörplan. Es gibt Debatten, ob seine Äußerung damals ernst oder sarkastisch gemeint war.
  • Rosenstein verantwortet die Russland-Ermittlungen von Sonderermittler Mueller.

Von Johannes Kuhn, Austin

Drei Personen in der US-Justiz sind dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump besonders verhasst: Robert Mueller, der Sonderermittler in der Russland-Affäre. US-Justizminister Jeff Sessions, weil sich dieser in der Russland-Frage für befangen erklärte und die Aufsicht über die Ermittlungen abgab - an den dritten im Bunde, seinen Stellvertreter Rod Rosenstein.

Rosenstein berief Mueller, ist nun dessen Vorgesetzter und offiziell für die Ermittlungen verantwortlich. Gegen den Willen des Präsidenten, der regelmäßig von einer "Hexenjagd" spricht, weigert sich der 53-Jährige standhaft, den ehemaligen FBI-Chef Mueller abzuberufen, der bereits einigen Trump-Vertrauten Straftaten nachweisen konnte.

Seit Monaten schwirren deshalb die Gerüchte durch Washington: Trump könne Mueller indirekt loswerden, indem er Sessions oder Rosenstein feuert und mit einem Juristen ersetzt, der den Willen des US-Präsidenten durchsetzt und seinerseits den Sonderermittler zum Rücktritt bewegt und die Akten schließt. Seit Freitag nun hat der US-Präsident dafür offiziell einen Anlass.

Die New York Times berichtet von zwei Aussagen Rosensteins nach der Entlassung des damaligen FBI-Chefs James Comey im Frühjahr 2017. Sie lassen ihn illoyal bis verschwörerisch erscheinen.

Erstens habe Rosenstein in Gesprächen mit FBI-Mitarbeitern und Beamten des Justizministeriums vorgeschlagen, Trump heimlich aufzunehmen, um das Chaos in der Regierung zu enthüllen. Und zweitens habe er ins Spiel gebracht, in der Regierung nach Gründen für die Anwendung des 25. US-Verfassungszusatzes zu suchen. Dieser sieht vor, dass das Kabinett die Amtsunfähigkeit des US-Präsidenten feststellen und ihn auf diese Weise entheben kann. Rosenstein selbst ist allerdings kein Kabinettsmitglied.

Rosenstein sei damals verärgert gewesen, dass der US-Präsident einen von ihm verfassten Bericht als Grundlage für die Abberufung Comeys vorgeschoben hatte. Keiner der Vorschläge wurde demnach verfolgt.

Sarkasmus oder ernst gemeinter Vorschlag?

Die New York Times beruft sich nicht auf Anwesende, sondern auf mehrere anonyme Quellen, die vom Inhalt der Gespräche wussten oder einen Einblick in angefertigte Memos hatten. Direkt werden die Notizen des damaligen Interims-FBI-Chef Andrew McCabe genannt. McCabe wurde später zwei Tage vor dem Renteneintritt ebenfalls entlassen.

Rosenstein dementierte die Darstellung und erklärte, der Artikel sei "ungenau und fachlich inkorrekt." Später ließ er eine zweite Erklärung folgen. Dort heißt es: "Ich habe niemals versucht oder angeordnet, den Präsidenten aufzunehmen und jede Andeutung, dass ich mich jemals für die Enthebung des Präsidenten ausgesprochen habe, ist absolut falsch."

Die Trumpisten sehen sich mit der Enthüllung bestätigt. Der Tenor auf Fox News und Co.: Wenn ein von Rachegefühlen geplagter Justizbeamter Verantwortlicher einer Untersuchung ist, die dem US-Präsidenten Schaden zufügen könnte, seien die Ermittlungen derart zweifelhaft, dass sie einzustellen seien.

Der US-Präsident selbst erklärte auf einer Wahlkampf-Veranstaltung in Missouri, es gebe einen "fortdauernden Gestank" im US-Justizministerium. "Aber den werden wir auch noch los", so das Versprechen des 72-Jährigen, das als Entlassungsankündigung von Rosensteins interpretiert werden kann (vor wenigen Tagen hatte Trump in Anspielung auf Rosensteins Chef Sessions erklärt, er habe gerade "keinen Justizminister"). Unklar ist, ob Trump das Risiko eingehen würde, vor den wegweisenden Halbzeitwahlen im November einen derart kontroversen Schritt zu unternehmen.

Allerdings gibt es auch andere Interpretationen von Rosensteins Aussage. Die Abhör-Passage habe er in einem Meeting laut zwei - ebenfalls anonymen - Offiziellen sarkastisch geäußert ("Was willst du, das ich tue - den Präsidenten abhören?"), heißt es in der Washington Post und NBC, die kurz darauf ebenfalls berichteten.

Die New York Times erwähnt den Sarkasmus, erklärt aber, dass "andere" Quellen, die über die Angelegenheit mit McCabe gesprochen hatten, betonten, Rosensteins Vorschlag sei ernst gemeint gewesen. Ob allerdings diese "anderen" Quellen nun aus dem Trump-Umfeld stammen und auf der New York Times wie "auf einer Fünf-Dollar-Violine spielen", um Rosensteins Entlassung den Boden zu bereiten, wie der Journalist Charles Pierce vermutet, ist nicht festzustellen.

Plötzlich zählen die Motive

Zu den Wirrungen des undurchsichtigen Machtgefüges und der Paranoia gehört es, dass einige Trump-Anhänger vermuten, der US-Präsident solle durch den Bericht dazu verführt werden, Rosenstein zu feuern und in den Vorwahlen die Demokraten mobilisieren. Trump-Einflüsterer und Fox-News-Moderator Sean Hannity kommentiert in seiner Sendung: "Ich habe eine Botschaft für den Präsidenten heute Abend. Auf keinen Fall sollte der Präsident irgendjemanden feuern."

Fest steht, dass auch die Progressiven - sonst über jede Enthüllung aus dem Trump-Kosmos jubelnd - dieses Mal Fragen nach Motiven hinter der Durchstecherei stellen.

Fest steht ebenso, dass Rosenstein nicht dementiert, zumindest von Abhören und Amtsenthebung geredet zu haben. Und dieses Gerede alleine dürfte genügen, dem US-Präsidenten eine formale Begründung für die Ablösung zu liefern, die nicht nur vor Hardcore-Trumpisten Bestand hat. Ob und wie es danach mit den Mueller-Ermittlungen weitergehen würde, entwickelt sich schon seit langem zur zentralen Frage der Ära des 45. US-Präsidenten - und der amerikanischen Demokratie an sich.

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